Schwarz
Hamburgers in den Mund. Die Stunde in dem Metallbehälter, das Warten auf die Polizei und die ersten Verhöre am Tatort hatten das bisschen Energie aufgezehrt, das er nach seiner Flucht aus dem Krankenhaus gesammelt hatte. Für die mickrige Hackfleischsemmel brauchte er zehn Minuten.
In dem an der Autobahn gelegenen Rasthof mit seinem monotonen Stimmengewirr im Hintergrund ging es hektisch zu; ständig kamen und gingen Leute. Je mehr Kara aß und trank und wieder zu Kräften kam, umso deutlicher sah er die Einzelheiten des Todes von Katarina Kraus vor sich. Zwei Meter vom Opfer entfernt Zeuge eines Mordes werden zu müssen, das wünschte er niemandem. Das Leben warf die Menschen umher wie der Wind trockenes Laub, aber seine Freunde behandelte es besonders brutal. Wie vielen seiner Bekannten und Feinde hätte er einen Gefallen getan, wenn er im Hotel »Vaakuna« gestorben wäre?
Kati Soisalo hatte mit Sakke Tirkkonen gesprochen, der an einem Spielautomaten stand, und kehrte nun an Karas Tisch zurück, sie sah immer noch ganz mitgenommen aus.
»Nach diesen Erfahrungen lernt man die Schreibtischarbeit auf ganz neue Weise zu schätzen. Nur ein Schizophrener hätte seine Freude an dem, was dort passiert ist«, sagte sie. Den Stand der Dinge kannte sie ungefähr. Kara hatte ihr von seiner Begegnung mit Katarina Kraus berichtet, während sie auf die Polizei warteten.
Kara antwortete nicht. Er trank einen Fruchtsaft und wickelte ein dreieckiges Sandwich aus der Schutzfolie aus, jetzt musste er so viel Energie wie irgend möglich tanken.
Kati Soisalo schaffte es nicht, schweigend dazusitzen. »Es sindalso insgesamt fünf Raketen, und Hofman, der Vorgesetzte von Kraus, ist der Schlüssel, um sie zu finden. Der UN, der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds wird mit neuen Raketenanschlägen gedroht, wenn sie nicht auf die Forderungen der Erpresser eingehen.«
Der enttäuscht wirkende Kara nickte. »Wir haben von Kraus nur die Bestätigung für das bekommen, was wir ohnehin schon vermutet hatten: Sibirtek lieferte die Raketen mit Hilfe des Witwenmachers in den Sudan, und Hofman ist das Gehirn von Sibirtek. Aber wer hat die Rakete abgeschossen, wer steckt hinter der Erpressung? Und laut Kraus ist noch etwas Größeres im Gange. Doch ihr Mörder hat natürlich die Tasche mit den Beweisen mitgenommen.«
»Wie machen wir jetzt weiter? Am besten gar nicht. Du musst Finnland unbedingt verlassen«, sagte Kati Soisalo in beschwörendem Ton. »Du bist hier nicht in Sicherheit, die Leute von Sibirtek erfahren garantiert, dass du Kraus getroffen hast. Du solltest jetzt nach Wien zurückkehren und hinter den Zäunen der UNO-City in Deckung gehen, bis die Gefahr vorüber ist.«
»Wie soll ich denn nach Wien oder sonst wohin kommen? Bei der Polizei stehe ich unter Verdacht wegen der Drogengeschichte. Ich habe ein Ausreiseverbot.«
Kati Soisalo dachte einen Augenblick nach. »Wir wissen von Jukka Ukkola schon so manches, dank Paranoid. Und wenn wir Ukkola nun erpressen?«
»Mit seinen Verbindungen zu Sibirtek?«, fragte Kara interessiert.
»Das lohnt sich nicht, wir müssten preisgeben, was wir wissen, und das ist noch nicht genug, um Ukkola festzunageln. So bekäme er nur Gelegenheit, seine Spuren zu verwischen. Wir verwenden andere Informationen. Ich frage Paranoid, was er schon alles zusammenbekommen hat.«
Kara rieb sein stoppliges Kinn. »Wenn ich Finnland verlasse, versprichst du dann, dieses dritte Unternehmen zu überprüfen, das mit Sibirtek zusammengearbeitet hat? Das, von dem du erzählt hast, als du im Krankenhaus warst, der Hersteller der Raketenhülle. Das ist das letzte lose Fadenende in Finnland, das noch nicht verknüpft ist.«
»Die Finnsteel AG. Ich würde das gern tun, weiß aber nicht, obich dazu imstande bin«, antwortete Kati Soisalo zögernd. »Man kann unmöglich voraussehen, was Ukkola unternehmen wird, wenn wir ihn erpressen und zwingen, dich ausreisen zu lassen. Und offen gesagt, das alles … wächst mir langsam über den Kopf. Ich muss künftig vorsichtiger sein und versuchen an meinem Schreibtisch zu bleiben.«
Kara nickte und kaute kräftig auf seinem Sandwich. »Du hast recht. Du hast schon zu viel getan, das Ganze ist ja nicht dein Problem.«
»Wenn Kraus die Wahrheit gesagt hat, dann ist das natürlich ein Problem, das die ganze Welt betrifft«, erwiderte Kati Soisalo und wurde noch ernster. »Glaubst du, dass wirklich alle fünf Raketen abgeschossen werden, wenn man nicht auf die
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