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Schwarz

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Titel: Schwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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»Für die Ausbeutung der Entwicklungsländer sind oft dieselben Männer verantwortlich, die in ihrer Laufbahn früher über die offizielle Außenpolitik der westlichen Staaten entschieden haben. Überlegen Sie mal, wie viele der wichtigsten amerikanischen Politiker von der Partei der Republikanerwährend der letzten Jahrzehnte in der Weltbank, im Internationalen Währungsfonds oder an der Spitze jener Konzerne der Yankees gearbeitet haben, die in Entwicklungsländern riesige Profite einheimsen – George Bush senior, Dick Cheney, George Shultz, Caspar Weinberger, Paul Wolfowitz, Robert McNamara … Und das Genialste daran ist, dass die Berater, also die Leute für die Drecksarbeit, bei Unternehmen angestellt sind, auch wenn sie praktisch im Auftrag von Staaten agieren. Entstehen Probleme, können nur die Berater beschuldigt werden, nicht die westlichen Staaten.«
    »Der Sudan hat doch Öl«, warf Botschafterin Cliff ein. »Eine vernünftige Nutzung der Bodenschätze hilft Ihnen, sich von der Schuldenlast zu befreien.«
    »Wenn jemand für ein Barrel sudanesisches Öl einhundert Dollar zahlt, dann gehen drei Viertel des Geldes an ausländische Ölkonzerne«, entgegnete Vizepräsident Osman und wirkte nun noch erregter. »Von den fünfundzwanzig Dollar, die übrig bleiben, erhält der Sudan nur sechs, weil neunzehn Dollar zur Schuldentilgung an den Währungsfonds und die Weltbank gehen. Der Sudan hat dreißig Milliarden Dollar Auslandsschulden.«
    »Sollen die westlichen Staaten einfach nur säckeweise Geld in den Sudan schleppen, ist das Ihre Alternative?«, sagte die Botschafterin sichtlich bemüht, ruhig zu bleiben.
    »Die westlichen Firmen kommen in das Entwicklungsland, verschmutzen und zerstören die Umwelt, verfrachten Öl und andere Bodenschätze ins Ausland und heuern Einheimische an, die für einen Hungerlohn unter entsetzlichen Bedingungen arbeiten müssen. Das Schicksal der Menschen in diesen Ländern interessiert die Großkonzerne und die reichen Staaten doch nicht im mindesten. Fünfzig Milliarden Dollar würden ausreichen, um für die gesamte Weltbevölkerung etwas zu essen, Wasser und eine Grundausbildung zu sichern. Allerdings besteht keine Hoffnung, diese Summe aufzutreiben, obwohl allein die USA beispielsweise für den Krieg im Irak schon weit über eintausend Milliarden ausgegeben haben, stellen Sie sich mal vor, über eine Billion Dollar. Und dann wundert man sich im Westen noch, warum in den Entwicklungsländern ständig neue Terroristen auftauchen, die den Westen hassen.«
    Botschafterin Rosalind Cliff sprang auf, es sah theatralischer aus als beabsichtigt. »Das ist äußerst überraschend, Ihre Einstellung scheint sich im Vergleich zu Ihren früheren Äußerungen in der Öffentlichkeit drastisch geändert zu haben.«
    Osman atmete tief durch, sein Gesichtsausdruck war nun wieder besonnen. »Ich bedaure, dass ich in Erregung geraten bin, aber in Afrika sterben jährlich fünfzehn Millionen Menschen, nur weil sie arm sind. Meine Einstellung hat sich keineswegs geändert, ich glaube immer noch, dass der Sudan Demokratie und Zusammenarbeit mit den westlichen Ländern braucht. Aber über den Inhalt der Demokratie und die Bedingungen der Zusammenarbeit muss im Sudan entschieden werden, nicht in London oder Washington. Ich kann nicht akzeptieren, dass man den Entwicklungsländern Dinge diktiert wie kleinen Kindern.«
    Botschafterin Rosalind Cliff setzte sich wieder, der Botschaftssekretär machte eifrig Notizen, und Osman mühte sich vergebens, das Gespräch wieder in etwas harmonischere Bahnen zu lenken. Sie frühstückten noch eine Weile, dann machten sich die immer noch irritierten Briten auf den Weg.
    Rashid Osman bereute, dass er so in Rage geraten war, künftig müsste er sich besser in der Gewalt haben. Er schloss die Augen und reiste in der Welt seiner düsteren Erinnerungen zurück ins Jahr 1990, in das Flüchtlingslager Itang, in den Wald, in dem er neu geboren worden war. Er spürte die Wurzel um sein Fußgelenk und erinnerte sich an den Duft des Eukalyptusbaums und den Schweißgeruch des SPLA-Kämpfers. Er sah vor sich, wie die Sonne auf der Klinge des fünfzig Zentimeter langen Messers glitzerte, als der schmalgesichtige Soldat mit der Waffe ausholte. Und er hörte immer noch das Geräusch, als der fünfzehn Zentimeter lange Nagel in den Hals des Mannes eindrang wie ein Messer in eine reife Mangofrucht. Auf seiner Hand spürte er wieder das warme Blut, das aus der Wunde floss. Nie würde

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