Schwarz
weißt, dass ich auf diese Frage nicht antworten kann. Und darüber sollte man ohnehin nicht am Telefon sprechen«, sagte Betha, und ihre Stimme klang ungewohnt sanft. »Du musst dieses ganze vermaledeite Theater abhaken, von jetzt an kümmern sich die Profis darum. Du gefährdest sonst dein Leben, Leo.«
»Mach dir keine Sorgen, ich sitze schon in der Lounge auf demFlughafen und bin auf dem Weg nach Wien. Aber ich möchte wissen, ob ihr imstande seid, Hofmans Stützpunkt aufzuspüren.«
Betha überlegte einen Augenblick. »Damit sind zig Leute beschäftigt. Aber wir brauchen zusätzliche Informationen zu diesen verdammten Fotos.«
»Kraus hat sie mir für den Fall gegeben, dass etwas Unvorhergesehenes passiert. Auf den Bildern findet man Hofmans Stützpunkt und die Antwort auf alle Fragen. So hat sie das gesagt.«
»Unsere Bildanalyse arbeitet mit aller Kraft daran, aber das ist eine Aufgabe, die jedes Maß überschreitet. Auch wir sind schließlich nicht in der Lage, alle Wüsten der Welt zu durchsuchen. Kannst du nicht noch mehr zu diesen Fotos sagen? Wer hat sie aufgenommen, in welchem Land, was sind das für Gebäude …«
»Mehr weiß ich nicht, tut mir leid«, antwortete Kara und bemerkte im selben Augenblick, dass die Gate-Nummer seines Flugs auf dem Bildschirm blinkte. Jetzt musste er sich sputen.
»Betha, ich wollte dich um einen kleinen Gefallen bitten. Birou wird bestimmt fuchsteufelswild sein, wenn ich zu ihm gehe, möglicherweise droht er, mich rauszuschmeißen. Könntest du mir noch etwas von seinem Geheimnis …«
»Curzon Street, Mayfair. Hol’s der Teufel, das ist alles, was du wissen musst«, erwiderte Betha lachend.
***
Betha Gilmartin fühlte sich erleichtert, obwohl die Ermittlungen zur Raketendrohung als schwere Last auf allem lagen wie das Jüngste Gericht. Wenigstens Leo war in Sicherheit. Jetzt musste sie ihre Rüstung anlegen. Sie öffnete den Reißverschluss ihres Rockes, hob den Hemdsaum hoch und spannte das Stützkorsett, um die Klettverschlüsse zu schließen. Dann schnappten die Haarspangen in ihrem roten Schopf zu. Für wen machte sie sich eigentlich diese Mühe? Jedenfalls nicht für Albert; in den fünfundzwanzig Jahren ihrer Ehe hatte er ihr Aussehen genau einmal kommentiert: an dem Tag, an dem ein Friseurlehrling ihre Haare so verbrannt hatte, dass die Kopfhaut durchschimmerte.
Sie betrat den Lageraum im dritten unterirdischen Geschoss desSIS-Hauptquartiers gerade zur rechten Zeit. Der Chef des Krisenstabs Clive Grover bat um eine Zusammenfassung der neuesten Erkenntnisse zu Nazir.
Die operative Chefin des Kommunikationshauptquartiers machte einen selbstsicheren Eindruck in ihrem lachsroten Blazer. »Es gibt einen Durchbruch. Wir haben herausgefunden, dass Nazir den größten Teil seiner politischen Schriften der letzten dreizehn Jahre von einem Computer in der Universität von Khartoum abgeschickt hat.«
Clive Grover reckte die Faust in die Luft. »Endlich Ergebnisse. Ist der Computer beschlagnahmt und das Personal der Universität verhört worden?«
»Noch nicht. Die sudanesische Regierung verspricht zwar alle erdenkliche Hilfe zur Klärung der Angelegenheit, aber in Khartoum verwandeln sich die Worte der Politiker leider erst in Taten, wenn es für sie selbst von Vorteil ist. Und unsere Experten haben den Verdacht, dass es sich bei Nazir um jemanden handelt, der an der Spitze des sudanesischen Machtapparates steht oder zumindest nicht weit davon entfernt.«
»Erläutere das bitte«, sagte Grover.
»Wir haben Nazirs Texte mit Reden und Schriften aller uns bekannten sudanesischen Meinungsbildner, also Politiker, Wissenschaftler, Militärs, aber auch Geistlichen, aus den letzten dreizehn Jahren verglichen. Und wir waren überrascht. In den Texten von zwei Politikern und einem General traten statistisch gesehen so viele Übereinstimmungen mit Nazirs Schreibweise und Wortwahl auf, dass ein Zufall eigentlich ausgeschlossen ist. Unsere Sprachwissenschaftler und Mathematiker haben Algorithmen aufgestellt, mit denen man die Wahrscheinlichkeit berechnen kann, dass …«
»Ist Nazir einer von ihnen?«, drängte Grover.
»Vielleicht. Oder zumindest kennt Nazir die drei sehr gut. Alle drei, Verteidigungsminister Mugahid Mahgoub Mohamed, der Zweite Vizepräsident Rashid Osman und der Kommandeur der Sudanesischen Armee, General Mustafa al-Nuri, sitzen in der sudanesischen Regierung. Sie sind auch an den Entscheidungen über die Angelegenheiten der sudanesischen Armee
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