Schwarz
Regen weit und breit nichts zu merken, obwohl hier bald der Winter beginnen würde. Henri Pohjala fand den Tag mit seinen achtzehn Grad für diese Zeit ungewöhnlich warm, die Sonne würde in Kürze untergehen, und es wurde schon kühler. Kati Soisalo saß in dem kleinen eingezäunten Garten des Hauses in der Albany Crescent Road und wandte den Blick vom Tafelberg am Horizont zum sonnengebräunten Henri Pohjala. Sein kahler Scheitel und die runde Nasenspitze waren von der Sonne ganz rot, die Augenbrauen und die Schläfenhaare fast weiß.
»Free, free.«
»Free, free, free Nelson Mandela. Free Nelson Mandela«, krächzte ein grellgrüner Papagei mit grauem Kopf.
»Robert ist ein Cape Parrot, ein Kappapagei. Ich habe ihn mit dem Haus zusammen übernommen«, sagte Pohjala lächelnd.
Kati Soisalo lachte. »Nach dem Titel, den er sich ausgesucht hat, dürfte er schon ziemlich betagt sein.«
»Die werden im Durchschnitt fünfunddreißig Jahre alt, ein Exemplar hat es sogar auf fünfundsechzig gebracht.«
Kati Soisalo trank einen Schluck Castle-Bier aus der Flasche und machte sich ans Erzählen. Sie berichtete Pohjala so ungefähr alles, was sie über Sibirtek und die Zusammenarbeit mit Fennica, Wartsala und Finnsteel herausgefunden hatte.
»In den letzten Wochen sind alle, die etwas von Sibirtek wussten, gestorben, nachdem Leo Kara und ich Kontakt zu ihnen aufgenommen hatten. Du bist die letzte Chance. Ich habe dich ausfindig gemacht, um zu erfahren, wer hinter Sibirtek steckt.«
Henri Pohjala schaute sie eine Weile unverwandt an, seufzte und setzte sich bequem zurecht. »Sibirtek ist gewissermaßen ein Synonym für den Einfluss Russlands in der finnischen Rüstungsindustrie. Esist eine Gattungsbezeichnung, etwa so wie ›englischer Fußball‹ oder ›amerikanischer Blues‹. Es existiert kein Unternehmen oder keine … Körperschaft mit dem Namen Sibirtek. Gegründet wurde es oder … herausgebildet hat es sich Anfang der Neunziger nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, annähernd zur gleichen Zeit, als ich in der Unternehmenswelt in die Schwergewichtsklasse aufgerückt bin. Sibirtek ist jedoch nur ein kleiner Teil eines großen Ganzen, jenes Systems, mit dem Russland von Finnland profitiert. Es gibt viele … Fassaden wie Sibirtek, die dazu dienen, die Interessen Russlands durchzusetzen.«
»Es muss doch Leute geben, die bei Sibirtek die Zügel in der Hand haben. Irgendjemand«, erwiderte Kati Soisalo ungeduldig.
»Dahinter stehen Hunderttausende Menschen, die ganze Gemeinschaft der Nachrichtendienste Russlands und die politische Elite, die an der Macht ist. Putins Hof – die Silowiki.«
Kati Soisalo versuchte ihre Ungeduld zu verbergen. »Erklär das bitte genauer.«
»Es ist egal, wer Sibirtek vertritt, wichtig ist nur, dass die Leute, die im Namen von Sibirtek auftreten, ihre Befehle von den Silowiki erhalten, einer Putin unterstehenden Gruppe von Menschen, die Russland beherrscht. Das sind ehemalige und derzeitige Mitarbeiter vor allem der Sicherheits- und Nachrichtendienste, aber auch der wichtigsten und einflussreichsten Ministerien sowie der Armee. Putins Verwaltung.«
Kati Soisalo wusste nicht, was sie denken sollte. Je weiter man bei der Suche nach den Spuren von Sibirtek vorankam, umso größere Dimensionen nahm alles an. Sie hatte Angst vor dem, was in der letzten Matroschkafigur zum Vorschein käme. »Laut KRP ist im Namen von Sibirtek nur eine Reihe normaler Geschäftsleute aufgetreten und ein Beamter, der heute im russischen Verteidigungsministerium arbeitet. Die finnischen Behörden wüssten es ja wohl, wenn Mitarbeiter russischer Aufklärungsorgane mit Unternehmen der finnischen Waffenindustrie zusammenarbeiten würden.«
Pohjala lachte. »Für die russischen Nachrichtendienste arbeiten Hunderttausende Leute, die im Namen aller möglichen Firmen auftreten. Die meisten von ihnen sind nicht bei den Diensten selbstoder in Putins Verwaltung angestellt. Wie ich schon sagte, wesentlich ist nur, wessen Befehle sie befolgen.«
Kati Soisalo war immer frustrierter. Die Informationen fügten sich in ihrem Kopf immer noch nicht zu einem stimmigen Bild zusammen. Stellte sie die falschen Fragen, oder sah sie den Wald vor lauter Bäumen nicht? »Wie gehen die Leute vor, die im Auftrag von Sibirtek handeln, wie ködern sie die Leiter finnischer Konzerne, so dass die sich auf ihre Pläne einlassen?«
Pohjalas Miene hellte sich auf. »Endlich eine Frage, die leicht zu beantworten ist. Bei Sibirtek gibt
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