Schwarz
werden?«
Baabas zog an seiner Zigarette. Wenn er jetzt beteuerte, die Beweise gegen Kara seien lückenlos, dann müsste er für seine Worte geradestehen, falls sich doch Lücken fanden. »Zumindest reichen die Beweise aus, hier bei uns Untersuchungshaft anzuordnen. Und auf dieser Grundlage können wir für die Verhaftung Karas bei Interpol eine
Red Notice
beantragen, eine internationale Fahndung. Ich garantiere, dass ich von Kara ein Geständnis bekomme, wenn ich ihn noch mal verhören kann.«
Osman schüttelte den Kopf. »Ist dir klar, was das für einen Sturm in den internationalen Medien auslöst, wenn man einen UN-Mitar beiter wegen Mordes zur Fahndung ausschreibt? Die Aufmerksamkeit der ganzen Welt würde sich wieder auf den Sudan richten. Das können wir uns nicht leisten. Gerade jetzt nicht. Du darfst diese Fahndung beantragen, sobald du hieb- und stichfeste Beweise gegen Kara gesammelt hast. Und zwar solche, auf deren Grundlage jedes beliebige Gericht gezwungen wäre, ihn zu verurteilen.«
»Kara ist schuldig, ich weiß das genau so sicher wie die …«
Der Vizepräsident legte Baabas die Hand auf die Schulter und wandte sich wieder in Richtung Palast. »Gerade zum jetzigen Zeitpunkt sind für den Sudan gute Beziehungen zu den westlichen Ländern vorteilhaft. Wir erhalten von ihnen Hilfe in beträchtlichem Umfang und werden erheblich reicher, falls die geplanten Projekte der wirtschaftlichen Zusammenarbeit realisiert werden. Es ist zu unser aller Vorteil, wenn der Sudan gerade jetzt nicht in neue Konflikte verwickelt wird. Der Westen drückt ja üblicherweise bei Missständen in befreundeten Staaten beide Augen zu: Die Anwendung der Steinigung im Iran wird als barbarisch gebrandmarkt, aber wenn inSaudi-Arabien, einem Verbündeten des Westens, Menschen zu Tode gesteinigt werden, dann schweigt man.«
Rashid Osman blieb stehen und schaute Baabas an. »Wenn die westlichen Medien ihr Augenmerk jetzt wieder auf den Sudan richten, wer weiß, in welche Missstände sie als Nächstes ihre Nase stecken. Den Sklavenhandel? Das könnte für deine … privaten Geschäfte verhängnisvoll sein.«
Drohte der Vizepräsident ihm? Baabas verfiel ins Grübeln, als Osman sich verabschiedete und in Richtung Palast ging. Osman wusste doch schon lange von seinen Geschäften und hatte ihn sogar mit einem Kunden zusammengebracht, der immer ungewöhnlich viele arbeitsfähige Sklaven bestellte. War das Gewissen des Manns erwacht, der sich beim Westen anbiederte? Fürchtete Osman, seine Position als Favorit des Westens für das Amt des sudanesischen Präsidenten zu verlieren, wenn er mit dem Sklavenhandel in Verbindung gebracht wurde? Oder worum ging es hier?
Was sollte er jetzt tun? Der Westen drängte den Sudan, den Mord an dem UN-Mitarbeiter aufzuklären, aber er bekam den einzigen ernstzunehmenden Verdächtigen, Leo Kara, nicht in die Finger. Schon bald würden der Präsident und die Regierung fragen, wer die Verantwortung für die gescheiterten Ermittlungen trug, und es könnte gut sein, dass Osman ihm die Schuld zuschob. War es das, was der Vizepräsident beabsichtigte, wollte Osman, dieses Weichei, ihn, den eisenharten, den brutalen Mann der alten Garde, den Darfur-Veteranen, loswerden?
Abu Baabas war in Westdarfur unter Bedingungen aufgewachsen, unter denen ein Mensch eigentlich gar nicht überleben dürfte. In seiner Kindheit am Rande der Stadt Geneina aß man Kadaver und presste Wasser aus Kakteen heraus. Er tötete das erste Mal mit zwölf Jahren und schloss sich bald darauf den berittenen arabischen Kämpfern an, den Fursan. Ende der Achtziger kämpfte er in Darfur gegen die Fur, Anfang der Neunziger im Süden gegen die Sudanesische Volksbefreiungsarmee und nach der Jahrtausendwende mal hier und mal da, erst bei den Fursan, dann bei den Janjaweed-Milizen. Er hatte jahrelang in Oasen gelebt und war so oft verwundet worden, dass er aufgehört hatte zu zählen. Um ihm den Posten wegzunehmen,den er sich mit seinen eigenen Händen erkämpft hatte, brauchte es mehr als einen schwachen Vizepräsidenten.
Baabas grüßte die Soldaten der Wache am Tor zum Präsidentenpalast, ging zu seinem Armeejeep und fasste einen Entschluss. Da ihm nun mal dank Osman die Hände gebunden waren, musste eben jemand anders Kara vor Gericht bringen. Er war nicht bereit, die Möglichkeit, dass Kara einem Urteil und seiner Strafe entging, auch nur in Erwägung zu ziehen. Eigentlich war es ihm zuwider, mit den UN zusammenzuarbeiten, aber der Zweck
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