Schwarz
Soisalo am Bartresen anzusprechen.
»Wie bist du bei den UN gelandet? Man könnte fast neidisch werden. Ich habe mich auch bei Unicef, Amnesty, beim Roten Kreuz und sonst wo beworben, als ich vor einem Jahr bei Fennica gekündigt habe. Aber ich war nicht gut genug, die erwarten alle, dass man Erfahrung genau auf ihrem Gebiet hat oder jahrelang ehrenamtlich für Hilfsorganisationen tätig war«, sagte Kati Soisalo und stellte eine Kaffeetasse und die Zuckerdose vor Kara hin. Dann setzte sie sich ihm gegenüber in einen Sessel der Sitzgruppe, die in der Mitte der Kanzlei stand.
»Einen Job bekommt man ja durch Beziehungen. Und wahrscheinlich hat mir dabei auch meine Berufserfahrung irgendwie geholfen«, erzählte Kara. »Ich habe als Informationsanalytiker im britischen Nachrichtendienst MI5 gearbeitet und bei der Global Crisis Group Länderanalysen geschrieben. Die Firma beschäftigt sich überwiegend mit internationaler Krisen- und Konfliktkontrolle. Manchmal musste ich auch ein bisschen dolmetschen.«
»Das UNODC untersucht doch auch den internationalen Menschenhandel, oder?«, fragte Kati Soisalo mit neugieriger Miene.
»Das ist eines der Hauptgebiete, für die wir zuständig sind, aber ich habe eher selten damit zu tun. Ich bin Persönlicher Assistent desGeneraldirektors und kümmere mich um alles Mögliche … um ganz unterschiedliche Dinge. Und du? Du hast eine gut bezahlte Führungsposition in einem großen Unternehmen gegen die Freiheit eingetauscht, stimmt’s?«
»Das hing mit vielen Dingen zusammen. Meine Ehe ging im Streit zu Ende, und ich … habe meine Tochter verloren.«
»Wie ist es dir denn gelungen, dein Kind zu verlieren, beim Poker?« Die Worte hingen noch in der Luft, da begriff Kara schon, was für einen Bockmist er von sich gegeben hatte. Kati Soisalo wirkte bestürzt.
»Entschuldigung, das war ein schlechter Witz. Es ist mir so herausgerutscht …« Kara wollte ihr nicht sagen, dass eines der Symptome der Frontalpsyche, unter der er litt, die Unfähigkeit war, eigene Äußerungen unter Kontrolle zu haben. Manche Patienten mit Frontalhirnsyndrom platzten dann und wann mit etwas heraus, was völliger Unsinn war. Er achtete in der Regel sehr sorgsam auf das, was er sagte. Wenn einem blödsinnige Bemerkungen entfuhren, entstand schnell der Eindruck, dass man verrückt war.
Mit gerunzelter Stirn fuhr Kati Soisalo fort. »Die Arbeit bei Fennica war zu keiner Zeit ein Zuckerschlecken: Verdammt viel zu tun, und ständig musste man mit irgendwelchen Tricksereien die Paragraphen umgehen. Ich habe nicht Jura studiert, um dafür zu sorgen, dass es noch mehr Waffen in der Welt gibt. Und ich bin auch nicht Juristin geworden, um nach Schlupflöchern im Gesetz zu suchen und so die Bilanzen der großen Unternehmen zu schönen, damit der Gewinn noch üppiger ausfällt. Jetzt kann ich mir meine Mandanten und Fälle immerhin selbst aussuchen. Ich übernehme nur … bestimmte Sachen.«
Kara überlegte, was mit ihrem Kind geschehen sein könnte. Kaum ein Mensch würde wohl gern mit jemandem, den er so gut wie gar nicht kennt, über solche Dinge reden. Er selbst jedenfalls nicht. Kati Soisalo hatte anscheinend einiges durchgemacht und wurde dadurch in seinen Augen noch einen Deut interessanter.
»Worüber willst du im Zusammenhang mit Fennica noch reden? Über die Bestechungsgeschichte?«, fragte Kati Soisalo und lehnte sich bequem zurück.
»Über Globeguide.«
Kati Soisalo schüttelte den Kopf. »Das hast du ja auch am Telefon behauptet, aber es fällt mir schwer, das zu glauben. Wegen der Bestechungsgeschichte werde ich fast jeden Tag angerufen, Journalisten und Fernsehredakteure sind verzweifelt auf der Jagd nach Bruchstücken von neuen Informationen zum schwersten Bestechungsfall in der finnischen Wirtschaftsgeschichte.«
Aus irgendeinem Grund hatte Kara das Gefühl, dass er Kati Soisalo vertrauen konnte. Er erzählte ihr in einem Zug fast alles, was er zwei Tage zuvor bei Fennica, bei der KRP und der SUPO erfahren hatte.
»Ukkola von der KRP ist übrigens mein Exmann«, sagte Kati Soisalo ganz unvermittelt, als er fertig war. Kara schaute sie verdutzt an, seiner Ansicht nach passten Ukkola und Soisalo so zusammen wie Gandhi und Caligula.
»Als ehemalige Leiterin der Rechtsabteilung von Fennica weißt du über Globeguide garantiert vieles, was mir weiterhelfen könnte«, fuhr Kara fort. »Ich habe bei der SUPO gehört, dass irgendeine russische Firma an der Entwicklung des Globeguide-Systems von
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