Schwarz
Fennica beteiligt war, und zwar von Anfang an. Weißt du etwas darüber?«
»Nein, aber die Information überrascht mich nicht sonderlich«, antwortete Kati Soisalo und lachte. »Mein damaliger Vorgesetzter, der Geschäftsführende Direktor von Fennica, Otto Mettälä, war einer der letzten alten Hasen der mittlerweile nicht mehr zeitgemäßen Form des Osthandels, ein echter Veteran des Clearing-Handels. Ich weiß ziemlich gut über die jüngere Geschichte von Fennica Bescheid, auch über die Zusammenarbeit mit den Sowjets und den Russen in den siebziger, achtziger und neunziger Jahren. Mettälä hat gern mit seinen Heldentaten vergangener Zeiten geprahlt, vor allem, wenn er etwas getrunken hatte. Ich habe mir Ottos Geschichten im Laufe der Jahre bestimmt Hunderte Stunden lang anhören müssen, auf Dienstreisen, bei Betriebsfeiern, auf Repräsentationsveranstaltungen …«
Kati Soisalo goss Kara Kaffee nach und fuhr dann fort: »Fennica hatte ausgezeichnete Beziehungen zur Sowjetunion. Zu jener Zeitwurde ja in Finnland ein viel breiteres Spektrum von Waffen und Schiffen hergestellt als heute. Es gab mehr Werften und Unternehmen der Waffenindustrie, und viele von ihnen entwickelten ihre Erzeugnisse in Zusammenarbeit mit der Sowjetunion.
Überleg mal, auf finnischen Werften wurden in der Zeit nach dem Krieg bis Ende der Achtziger fast zweihundert Schiffe für die Sowjetunion gebaut: Eisbrecher, Kabelleger, Forschungsschiffe, Passagierschiffe, Frachtschiffe und alle möglichen Pötte, die sich für eine Nutzung unter arktischen Bedingungen eigneten, sogar zwei atombetriebene Eisbrecher. Der Export der von Rauma-Repola hergestellten Tiefseetauchkugeln in die Sowjetunion Ende der achtziger Jahre führte sogar zu einem internationalen politischen Konflikt. Die USA drohten damit, den Export von Spitzentechnologie nach Finnland zu erschweren, wenn die Finnen ihren Vertrag mit der Sowjetunion nicht aufkündigten. Nach Ansicht der Vereinigten Staaten hätte der Verkauf dieser Tauchkugeln die Sicherheit der Welt gefährdet.«
»Das ist schon lange her«, sagte Kara. »Das Globeguide-Projekt entstand erst im 21. Jahrhundert.«
»Aber die Kontakte der finnischen Unternehmen über die Ostgrenze hinweg sind nicht abgerissen, als der sowjetische Staat zusammenbrach, im Gegenteil. An seine Stelle traten private Unternehmen, in denen die gleichen Menschen Entscheidungen trafen wie zu Zeiten der Sowjetunion. Und außerdem hatten die Russen endlos viel Geld. Die Parteibonzen und die führenden Leute der Armee beschafften sich nach 1991 Milliarden Dollar, indem sie Waffen und alles mögliche andere Eigentum der Sowjetunion verkauften. Es kam zur größten Kapitalflucht der Geschichte, da diese Milliarden überall in der Welt investiert wurden. Auch in Finnland.«
»Weshalb hier, Finnland ist doch ein ziemlich kleines Land?«
»Die Sowjetunion hatte zu keinem anderen Land mit einer Marktwirtschaft auch nur annähernd so gute Beziehungen. Es war einfach hierherzukommen. Finnland wurde zum Versuchsfeld, zu einem Labor, wo die Russen trainierten, wie man in der Marktwirtschaft agiert. Immer noch lässt sich schwer abschätzen, wie viel russisches Geld man mehr oder minder geheim hierher gepumpt hat. Oder wie groß der Einfluss des russischen Geldes in Finnland heute ist.«
Kara verstand allmählich, worauf sie hinauswollte. »Und die Russen brauchten als Unterstützung zuverlässige finnische Unternehmen und Firmenchefs.«
Kati Soisalo lächelte. »Jetzt hast du’s erfasst. Otto Mettälä hatte glänzende Beziehungen sowohl zur Sowjetunion als auch zu Russland.«
Kara ließ sich das Gehörte einen Augenblick durch den Kopf gehen. »Du glaubst also, dass Otto Mettälä alles über das Globeguide-System und die russische Firma weiß, die seine Entwicklung finanziert hat?«, fragte Kara. Kati Soisalo nickte.
»Was für ein Mann ist Otto Mettälä?«
»Einer der letzten finnischen Leiter vom alten Typ Fabrikbesitzer, ein Relikt aus einer untergegangenen Welt«, antwortete Kati Soisalo mit einem Lächeln. »Ein Mann, der sich nicht sonderlich für die Mitbestimmung, Pausenräume, gesetzlich vorgeschriebene Kaffeepausen oder Gymnastik am Arbeitsplatz interessiert hat. Er sagte, was er dachte, und hielt sein Wort. Gesoffen hat er wie ein Schwamm, aber total betrunken war er nie, er hielt sich für einen Halbgott und verwechselte bedenkenlos das Geld der Firma mit seinem eigenen. Er war genau so ein Chef, den man fürchtete und achtete,
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