Schwarzbuch Wachtturmgesellschaft - der verborgene Januskopf (Will Cook und die Wachtturmgesellschaft) (German Edition)
Russels. Mit diesem zusätzlichen Auge soll man solche Geschehnisse glaubend sehen und wahrnehmen können.
Anders geht es nicht. Man kann sie nur glaubend sehen und erkennen. Abweichende Sinneswahrnehmungen werden nach diesem Verständnis tendenziell dem Bereich des Irrtums zugeordnet, der dem Menschsein immanent ist, und eigene Überlegungen vorauseilend dem des Frevels.
Wem es an Glauben und damit an der „geistigen Sehkraft“ mangelt, muss ersatzweise mehr Vertrauen aufbringen. Sprich, blind an das glauben, was verkündet wird, man jedoch nicht sehen und nachvollziehen kann.
Damit wird blinder Glauben zur Stärke, zu einer Tugend erklärt, während Zweifel, sei dieser auch noch so begründet, von der WTG mit Schwäche gleichgesetzt wird.
Für einen Zeugen Jehovas, der mit dem Akzeptieren bestimmter Lehrsätze Schwierigkeiten hat, gibt es keinen dritten Weg, keine andere Lösung. Oder man muss, wenn man diesem Dilemma entkommen und angesichts der zu erwartenden schweren persönlichen Konsequenzen weiterhin als loyaler Zeuge Jehovas gelten will, zumindest vorgeben, daran zu glauben.
Möglichst glaubhaft vorgeben, zu sehen, was man tatsächlich nicht sieht, schon weil man es auch nicht sehen kann. Weil es dem, der zugibt, dass er die behaupteten theokratischen Vorgänge nicht erkennen kann, nach organisationsinterner Logik an Glauben mangelt. Ein ertappter Zweifler läuft Gefahr, zum Ungläubigen, zum geistig schwachen Bruder, vielleicht sogar zum Weltmenschen abgestempelt zu werden.
Der Glaubende aber, der überzeugend, laut und oft genug verkündet, dass es ihm wider alle Rationalität geglückt ist, alles so anzunehmen und zu seinem geistigen Eigentum zu machen, wie es ihm die WTG vorgibt, befindet sich dagegen in einer privilegierten Position.
Er kann davon ausgehen, dass sein solchermaßen voll entwickeltes zusätzliches Sinnesorgan, das Auge des Glaubens, ihm die Gegebenheiten der wunderbaren fiktiven WTG-Realität vollends erschließt, was ihm auch die Anerkennung der Bruderschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit nachhaltig sichert.
Damit kann er sich glücklich schätzen, da auch das gepriesene geistige Paradies, ebenso eine schwer (er)fassbare Kategorie, für ihn auf diese Weise so gut wie real wird.
Oder wäre es möglich, dass alles nur eine Fiktion, eine Art „geistige Fata Morgana“ ist und er sich am Ende nur selbst betrügt?
Ein treuer Zeuge Jehovas wird sich einer derartigen Fragestellung keinesfalls zuwenden und sich vorwerfen lassen wollen, dass er die von der Gesellschaft beschworenen Ereignisse nicht wahrnehmen kann. Nein, das würde er sicherlich nicht tun. Schon um jeden Konflikt mit den Ältesten zu vermeiden, die sich dazu aufgerufen fühlen könnten, umgehend nach dem Grund seiner Glaubensschwäche und damit nach möglichen Sünden zu forschen.
Zweifel ist grundsätzlich schlecht, auch die WTG selbst kennt keinen Zweifel. Sie ist sich ihrer Sache, ihrer jeweiligen Auffassung und ihren Verlautbarungen immer ganz sicher.
Zumindest solange, bis sich eine Revision der bislang verkündeten Wahrheit nicht länger umgehen lässt und eine andere Wahrheit das Licht der WTG-Veröffentlichungen erblickt.
Irrtum vorbehalten? Sicherlich nicht. Schließlich ist sie, die WTG, Gottes Werkzeug und damit Sachwalterin der Wahrheit des Allerhöchsten. Der alleinigen Wahrheit. Wie könnte sie daher an ihren eigenen Aussagen jemals Zweifel üben, mögen diese sich auf dem Prüfstand der Realität als noch so kurzlebig erweisen. Kein Irrtum, allenfalls ist ein „neues Licht“ erschienen, das zu einer Korrektur Veranlassung gegeben hat.
Die Wachtturmgesellschaft ist des Höchsten sichtbare Organisation auf der Erde und hat daher das Recht, den Grad der Treue des mit ihr Verbundenen bei Verdacht des Zweifels in jedem Einzelfall zu messen und zu bewerten. Wie stark er in der Wahrheit gegenüber Jehova Gott steht, heißt das dann in der täglichen Umgangssprache der Zeugen.
Was in der Praxis der Glaubensgemeinschaft etwas anders ausgedrückt wird. Angesprochen und abgefragt wird bei derartigen inquisitorischen Untersuchungen in aller Regel nicht die Loyalität gegenüber dem alleinig wahren Gott Jehova und seinem Wort, der Bibel, sondern vielmehr die Loyalität und Treue gegenüber der WTG, dem „sichtbaren Instrument“ des wahren Gottes.
Heute kann mit Fug und Recht gesagt werden, dass der „Quasi-Unfehlbarkeitsanspruch“ der WTG bei allen Bemühungen der Gesellschaft, ihre Fehler zu verdecken,
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