Schwarzbuch Wachtturmgesellschaft - der verborgene Januskopf (Will Cook und die Wachtturmgesellschaft) (German Edition)
autoritär geführte Organisation - überführt.
Dieser Nachfolger, der sich auch gern „Judge“ Rutherford nennen ließ, hatte die Fehlschläge der Prophezeiungen Russells und ihre Folgen für seine Anhänger persönlich unmittelbar miterlebt und frühzeitig seine eigenen Schlussfolgerungen aus diesem Debakel gezogen. Er erkannte, dass ein langfristig angelegter Zusammenhalt der Glaubensgemeinschaft und weiteres Wachstum der Gesellschaft angesichts der Verwirrung, die Russell bei seinen Gefolgsleuten hinterlassen hatte, nur bei einer einheitlichen Linie und einer dementsprechend straffen Neuausrichtung des Glaubens möglich war.
Als legitimatorische Grundlage für diesen Schritt konnte ihm der von Russell erhobene Anspruch auf die alleinige Kompetenz und Autorität zur Auslegung der Bibel nur gelegen kommen. Rutherford verband mit dieser Ansicht allerdings eine grundsätzlich andere Auffassung von der Rolle der Organisation als sein Vorgänger. Er verschwendete keine Zeit damit, dessen Vorstellungen von autonomen Christenversammlungen weiterhin nachzugehen, sondern
„... fing an, auf das hinzuarbeiten, was Russell als das Produkt von „Fleischesdenken“ abgetan hatte: die Entwicklung einer „sichtbaren, kämpferischen, eng geschlossenen, zentralistischen Organisation“.“ 107
Im ersten Schritt führte Rutherford durch die Einsetzung eines „Erntewerkvorstehers“, der als Beauftragter der Gesellschaft den Versammlungen beigeordnet wurde, eine von der Zentrale gesteuerte Aufsicht über die Versammlungen ein. Nicht lange danach verfügte er außerdem für jeden einzelnen Zeugen die Einführung einer Berichtspflicht für den Predigtdienst und festigte im Jahr 1938 die Zentralisierung der Macht bei der Führung der Organisation, also bei ihm persönlich, endgültig.
In diesem Jahr proklamierte er eine „Theokratie, in der das Heiligtum von Oben nach Unten regiert werde “ 108 und realisierte diesen Anspruch durch die Verlagerung des Ernennungsrechts der Ältesten von den Versammlungen auf die Organisationsleitung .
Die Versammlungen wurden dazu aufgefordert, eine Resolution nach dem folgenden Beispiel abzugeben, in der sie sich quasi freiwillig der zentralen, von Rutherford kontrollierten und gesteuerten Zentralgewalt unterwarfen:
„Wir, die Gruppe des Volkes Gottes, dass für seinen Namen herausgenommen ist und sich nun in … befindet, anerkennen, dass Gottes Regierung eine reine Gottesherrschaft ist, dass Christus Jesus sich im Tempel befindet und den vollen Befehl über die sichtbare Organisation Jehovas wie auch über die unsichtbare innehat, und dass ‚Die Gesellschaft‘ der sichtbare Vertreter des Herrn auf Erden ist.
Daher stellen wir das Gesuch, dass ‚Die Gesellschaft‘ unsere Gruppe für den Dienst organisiere und deren verschiedene Diener bestelle, damit wir alle in Frieden, Gerechtigkeit, Eintracht und vollständiger Einheit zusammenwirken können. Wir legen hier die Namensliste derjenigen unserer Gruppe bei, die uns als gereifter und darum am geeignetsten scheinen, die betreffenden Dienstposten auszufüllen.“ 109
Man sollte sich die Formulierung, dass „Jesus Christus den vollen Befehl“ sowohl über die „sichtbare“, als auch die „unsichtbare Organisation“ innehat und die „Gesellschaft“, de facto eine Aktiengesellschaft, der „sichtbare Vertreter des Herrn“ ist, nochmals durch den Kopf gehen lassen.
Braucht Gott, der Allmächtige, zur Verwirklichung seiner Vorhaben eine US-Aktiengesellschaft?
Aber diese Frage hat von den damaligen Getreuen bis zu den heutigen Mitverbundenen niemand offen zu stellen gewagt. Rutherford war mit diesem Schachzug die entscheidende Weichenstellung gelungen, selbst wenn es noch einige Zeit dauern sollte, bis der letzte Zeuge in seinem Sinne „gleichgeschaltet“ worden war. 110
Die hierarchische Struktur war erfolgreich aufgebaut worden und „alles, was von der Zentrale kam, war von allen so anzunehmen, als käme es von Gott.“ 111
Damit hatte der Nachfolger von Charles Taze Russell seine Vorstellungen von einer schlagkräftigen Organisation verwirklicht und sein ureigenes Ziel erreicht. Befürchtungen innerhalb der Gesellschaft, dass diktatorischen Bestrebungen damit Vorschub geleistet werden könnte, begegnete Rutherford in der ihm eigenen Art und Weise, indem er Kritikern kurzerhand über den Mund fuhr:
„ Jehova, der große Theokrat, muss notwendigerweise der Diktator sein in allen Angelegenheiten Zions. Das ist der erste
Weitere Kostenlose Bücher