Schwarzbuch Wachtturmgesellschaft - der verborgene Januskopf (Will Cook und die Wachtturmgesellschaft) (German Edition)
für diese neu gewonnene Überzeugung einzustehen. Notfalls sogar mit dem eigenen Leben. Schließlich steht für jeden Zeugen etwas Höherwertiges als das, sein ewiges Leben auf dem Spiel.
In einem manchmal sogar jahrelang andauernden Prozess wird versucht, interessierten Personen diese Überzeugung nachhaltig zu vermitteln und bei den bereits getauften Zeugen fortlaufend zu vertiefen. Wenn sich auch die Erfolgsrate bei den neuen Interessierten in engen Grenzen hält, gelingt es selbst in den Industrieländern immer noch, Täuflinge zu gewinnen.
Es ist ein kontinuierlicher Prozess, der von der Wachtturmgesellschaft für alle Neulinge und für die bereits mit ihr Verbundenen einheitlich konzipiert worden ist, der ihr Leben auf eine wohlüberlegte Weise fortschreitend prägen und schließlich ganz bestimmen soll. Vom Morgen bis zum Abend, von der Kinderziehung bis zum Sexualleben. Alles wird neu ausgerichtet. Ausschließlich nach den Vorgaben und Lehren der Wachtturmgesellschaft. Es ist ein gänzlich neues Leben, das den Studierenden künftig erwartet, wovon er sich in einem frühen Stadium seines Bibelstudiums wahrscheinlich jedoch noch kein Bild machen kann. Ein Leben als Zeuge Jehovas. Ein Leben, das sich von seinem bisherigen Dasein in aller Regel ganz erheblich unterscheidet. Allein schon dadurch, dass es von nun an in engen Bahnen und geregelt verläuft.
Geregelt in Übereinstimmung mit den besonderen Vorgaben und Lehren der Wachtturmgesellschaft der Zeugen Jehovas. Ein Leben ohne das soziale Umfeld seiner bisherigen Freunde und Bekannten, das jeder Zeuge schon wegen seiner „weltlichen,“ Gott abgewandten Ausrichtung ablehnen soll. Ohne Geburtstagsfeiern und weihnachtlichem Zusammensein mit der Verwandtschaft. Ohne ein bisher vielleicht ausgeprägtes Vereinsleben im Sportverein, ein zeitaufwendiges Hobby oder eine Karriere in der örtlichen Politik.
Aber der frisch getaufte Zeuge Jehovas wird bereits zu diesem Zeitpunkt in einem geistigen Paradies leben. Mit diesem Gedanken soll er sich im Gegenzug trösten. Ist das nicht sogar mehr als eine bloße Entschädigung für all seine bisherigen aufgegebenen Ambitionen und Vorlieben? Als guter Zeuge Jehovas sollte er davon überzeugt sein. Er glaubt an alle Lehren und Versprechungen der WTG und damit auch an das geistige Paradies. Er kann auch über die Unvollkommenheiten seiner Mitbrüder und Mitschwestern hinwegsehen. Das hat in den Zusammenkünften gelernt. Ihre Fehler und Sünden ist er fortan bereit, mit dem „Mantel der Liebe“ zuzudecken.
Die Auswirkungen dieses Prozesses werden ihm in ihrer geballten Form zunächst vermutlich selbst kaum bewusst. Der neue straffe Zeitplan mit Predigtdienst, Zusammenkünften, Vorbereitungen und das theokratische Lesepensum nehmen ihn auf eine Weise in Beschlag, dass er die Einschränkung seiner bisherigen politischen, kulturellen, sportlichen oder sonstigen Hobbyaktivitäten wahrscheinlich gar nicht wahrnimmt. Die gleiche Feststellung trifft sinngemäß auch auf sein bisheriges Weltbild, seine Anschauungen, Einstellungen und Überzeugungen zu.
Die WTG hält für ihn ein neues Erklärungsmodell für alle Fragen und Problemstellungen bereit, die ihm früher noch kompliziert, undurchschaubar und unlösbar vorgekommen sein mögen und an deren Beantwortung oder Lösung er oft gescheitert ist. Alles wird ganz einfach für ihn, den neuen Zeugen Jehovas. Ob Lebenskrise oder die Angst vor dem Tod und die Frage nach dem Danach. Ob es die Furcht vor dem Verlust des Arbeitsplatzes oder vor schwerer Krankheit, vor Kriminalität oder Umweltverschmutzung ist; alles was ihn bislang bedrückt haben mag, wird relativiert. Alle diese Probleme finden in den Lehren der WTG gleichermaßen ihre Auflösung. Es eine eine universelle Lösung, die die WTG anbietet und die für alle Bereiche Anwendung findet.
Schwarz-weiß lautet das in seiner intellektuellen Schlichtheit verblüffende Erklärungsmodell der Wachtturmgesellschaft. Hier gut, dort böse. Hier, in der einzigen Organisation Gottes, findet man die Wahrheit, die alle Schwierigkeiten erklärt, selbst wenn diese sich auch (noch) nicht unmittelbar beseitigen lassen. Es ist eine Wahrheit, die ihm schon heute alle Ängste nehmen und ihn mit ungebrochener Zuversicht in die Zukunft blicken lassen soll.
Dort draußen, von „der Welt“, kann der Mensch dagegen auf keine Lösung hoffen und nichts Gutes erwarten. Dort gibt es nur Unwahrheiten, Schlechtigkeiten und moralische Verkommenheiten.
Weitere Kostenlose Bücher