Schwarzbuch WWF: Dunkle Geschäfte im Zeichen des Panda (German Edition)
sie ihn umgebracht.«
Deckmantel Naturschutz
Nicht wenige WWF-Mitarbeiter räumen heute selbstkritisch ein, »früher« habe es in Afrika Probleme gegeben, aber der WWF habe aus seinen Fehlern gelernt. Interne Kritik an der Operation Lock gab es schon im Jahr 2000. Der neue Generaldirektor Claude Martin bezeichnete das Abenteuer als Ausdruck einer »imperialistischen Haltung« und sorgte dafür, dass der WWF in den Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas eigene Büros gründete, um seinen neokolonialistischen Stallgeruch loszuwerden. Und der WWF-Chef Namibias, Chris Weaver, ersann das System der Conservancies: Ganze Dorfgemeinschaften sollten in die Naturschutzarbeit integriert und an den Einnahmen aus dem Ökotourismus beteiligt werden.
Der WWF selbst ist stolz auf solch zaghafte Reformversuche, aber haben diese dazu geführt, dass er sein kolonialistisches Erbe wirklich überwunden hat? Einige Tage nachdem unser Film Der Pakt mit dem Panda im Juni 2011 von der ARD ausgestrahlt wurde, fand ich eine E-Mail in meiner Post. Sie enthielt im Anhang einen Bericht an die Vereinten Nationen, genauer gesagt an die Expertengruppe für die Rechte der Indigenen Völker . Thema war das Schicksal des Pygmäen-Volkes Batwa, das im Jahr 1991 aus den ugandischen Nationalparks im Süden des Landes vertrieben wurde.
Der UN-Berichterstatter führt in seinem Report vom Juli 2011 aus: »Wie auch in anderen Fällen, in denen neue Nationalparks unter der Beteiligung des WWF errichtet wurden, ist die indigene Bevölkerung, die seit Hunderten oder Tausenden von Jahren in nachhaltiger Weise gelebt hatte, aus ihren Wäldern vertrieben worden. Ihre Wälder sind in die Hände ausländischer Investoren übergegangen. Der Tourismus hat sich zu einem großen Geschäft für die Investoren entwickelt, ebenso wie die Einnahmen aus den Jagdgebühren. Je nach Wildart kostet das Töten eines einzigen Tieres einige tausend oder sogar einige zehntausend Dollar. Unter dem Deckmantel des Naturschutzes wollen die Investoren ›ihren‹ Wald für sich alleine haben, ohne Pygmäen.«26
In Berlin treffe ich den Mann, der den brisanten Bericht geschrieben hat: Dr. Arnold Groh. Er leitet an der Technischen Universität Berlin die Forschungseinrichtung Strukturelle Analyse kultureller Systeme. Dr. Groh ist ein schlanker, elegant gekleideter Mann mit zarten Händen und sensiblen Gesichtszügen. In seinem kargen Büro hängt ein riesiges Foto, auf dem er, nur mit Shorts bekleidet, zwischen den Stammesangehörigen der Batwa zu sehen ist: »Wenn wir sie besuchen, passen wir uns auch mit der Kleidung an – das ist eine Frage des Respekts. Denn alles, was wir aus unserer Industriekultur mitbringen, verändert die Normen und sendet eine visuelle Botschaft aus: Sieh mal, ich trage einen Tropenanzug, also bin ich etwas Besseres.« Der vom WWF angekurbelte Ökotourismus sei unsensibel, er breche wie eine »Invasion« in die Pygmäen-Dörfer ein und zerstöre die kulturelle Identität der Stämme.
Der WWF, so Dr. Groh, habe ein »grundsätzliches« Problem mit Naturvölkern: »Institutionen wie der WWF sind für die Auslöschung indigener Kulturen zumindest mitverantwortlich, denn sehr häufig wird ihr Untergang mit einer Zwangsumsiedlung aus ›Naturschutzgründen‹ eingeleitet. Ohne ihren Wald, in dem sie seit Jahrtausenden leben, sind sie den Angriffen anderer Ethnien ausgesetzt, von denen sie verachtet werden. Ich habe das Schicksal der Batwa aus nächster Nähe beobachtet. Nachdem sie ihren Wald verloren haben, sind die Angehörigen des Stammes in eine tiefe Depression verfallen. Schon nachmittags betrinken sie sich oder nehmen Drogen – die Verzweiflung war in allen Dörfern zu spüren, die ich besucht habe.«
Dr. Arnold Groh bei den Baygeli, Uganda
Um eine Hungersnot zu verhindern, hat die ugandische Regierung den Batwa schließlich erlaubt, dass sie am Rand ihres ehemaligen Waldes wieder jagen dürfen. Bis zu zwei Kilometer dürfen sie hinein, weiter nicht. Die Kernzone des Regenwaldes ist den Berggorillas und den Touristen vorbehalten. Der WWF hat Studien erarbeitet, wonach die Batwa zu Bauern umgeschult werden könnten. Die Idee ist realitätsfremd, denn für die Batwa gibt es kein Ackerland.
Um zu überleben, müssen sie auf den Farmen der Bantu arbeiten, einer in Uganda herrschenden Ethnie. Viele Bantu sehen in den Batwa Menschen zweiter Klasse und zahlen ihnen Hungerlöhne. Einige Batwa-Frauen prostituieren sich, um an Nahrung zu kommen;
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