Schwarzbuch WWF: Dunkle Geschäfte im Zeichen des Panda (German Edition)
oder duschen, indem sie sich das Wasser mit Hilfe eines Eimers über den Kopf gießen. Solange, bis der Muezzin ruft. In diesem Dorf sind alle Familien muslimisch.
Bis vor drei Jahren waren die meisten Menschen des Dorfes Bauern und betrieben die traditionellen Waldgärten der Dayaks: Rattan für Möbel und Gummibäume. Der Absatz war gut, denn trotz der Konkurrenz durch synthetischen Kautschuk werden hochwertige Kondome und Kaugummi immer noch aus natürlichem Kautschuk gemacht. Zwischen den Bäumen hatten die Bauern Reis gepflanzt und Fruchtbäume: Durian, Mango und Bananen. Ein Mischwald, in dem sich auch die Tiere zu Hause fühlten, eine nachhaltige Wirtschaft, von der man gut leben konnte.
Die Waldgärten existieren jetzt nur noch in der Erinnerung der Bauern, denn ihr Wald ist von Bulldozern niedergewalzt worden. Wald gehört in Indonesien dem Staat, die Bauern haben meistens nur Nutzungsrechte. Einige können aber auch richtige Besitzurkunden vorweisen. Ihnen musste der Konzern das Land abkaufen. In der Erwartung plötzlichen Reichtums haben viele Einwohner Sembuluhs ihr Land tatsächlich verkauft. Jetzt knattern sie mit ihren frisch erworbenen Motorrollern über die Dorfstraße oder fahren morgens früh mit ihnen zur Arbeit in eine der Plantagen, die das Dorf eingekreist haben.
Hadid, bei dem wir auf dem Dachboden übernachten dürfen, hat nicht verkauft. Als wir beim Abendessen auf dem Boden seiner Küche hocken, erklärt er warum: »Das Geld ist schnell ausgegeben und der Konzern beschäftigt die Leute nur bis zum Alter von 45 Jahren. Was machen sie danach? Es war dumm zu verkaufen.« Hadid geht jeden Tag in seinen Waldgarten. Einige Bauern, die ihr Land verkauft und das Geld schon auf den Kopf gehauen haben, arbeiten jetzt für ihn. Seine Frau führt den Eisenwarenladen des Dorfes. Er ist ein wohlhabender und angesehener Mann; man hört auf ihn.
Heute Abend füllt sich seine Hütte mit Bauern. Sie wollen eine Protestaktion besprechen. Rund um den See gibt es inzwischen drei Ölmühlen, deren Abwässer den See verschmutzen. Die Bauern fürchten, dass die Fische sterben werden. Fischfang ist eine ihrer letzten Einkommensquellen und wichtigster Eiweißlieferant für die Leute im Dorf. Nordin folgt der Diskussion und tippt dabei an Hadids Computer die ersten Sätze einer Petition ein. Am nächsten Montag wollen alle in die Provinzhauptstadt reisen und den Gouverneur bitten, den Bau einer neu geplanten Ölmühle in der Nähe des Sees zu stoppen.
Als die Diskussion ihren Höhepunkt erreicht, klingelt Nordins Handy, eine SMS von Unbekannt: »Wir wissen, dass du in Sembuluh bist. Verschwinde sofort, oder wir beseitigen dich ein für alle Mal. Wir finden dich überall, der Gouverneur und die Polizei sind auf unserer Seite.« Nordin ist bei den Konzernen unbeliebt; er wiegelt die Bauern auf und verdirbt das Geschäft. Er drückt die SMS achtlos weg. Es war nicht die erste Morddrohung, die er bekommen hat.
Baktaran, ein dürrer Bauer Mitte vierzig, zeigt mir seine Besitzurkunde über ein Grundstück im Wald. Die fünf Hektar gehörten schon seinen Eltern. »Aber der Konzern hat die Beamten bestochen und ich habe alles verloren.« Hat er sich das gefallen lassen? Statt einer Antwort macht er uns den Vorschlag, morgen früh mit ihm in seinen Wald zu fahren.
Bei Sonnenaufgang machen wir uns auf den Weg ins Buschland. Baktaran schlägt den Weg mit seiner Machete frei. Unvermittelt sagt er: »Hier sind wir, das ist mein Garten.« Aber wir sehen nur Gestrüpp und darin Ölpalmen, an die 1,50 Meter hoch. »Sie kamen eines Morgens mit Bulldozern und haben meinen Wald zerstört. Genau hier stand ein riesiger Gummibaum – den habe ich von meinem Vater geerbt. Ich bin zur Verwaltung von Wilmar gegangen, um mich zu beschweren. Sie haben mich hinausgeworfen.« Zwischen den Palmen steht eine provisorische Hütte aus Holz und Palmblättern, eine Demonstration seiner Besitzansprüche: »Ich komme immer wieder hierher, fast jeden Tag, seit fünf Jahren. Einmal hat der Konzern Militär geschickt, um mich zu vertreiben. Aber ich gebe nicht auf.«
Baktaran geht nach diesen Worten auf die nächste Ölpalme zu und zerkleinert sie mit ein paar gezielten Hieben seiner Machete. Das ist nach indonesischer Rechtsprechung eine Straftat, ein Vergehen am Eigentum des Konzerns. Andere Bauern, die das Gleiche getan haben wie er, sitzen dafür in Haft; im ganzen Land sind es über 300 Häftlinge.
Wenige Wochen nach unserem Interview mit
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