Schwarze Blüte, sanfter Tod
einige hundert Jahre vor dem gekreuzigten Vorder Oriental en unter einem Feigenbaum meditierte. Nein, sie hatte sich sozusagen ins BewuÃtsein geschlichen, ohne Eile, nach und nach. Und jetzt war sie da. Ging mir durch den Kopf, als mich Joshua Singh anrief, der Hausdetektiv des Regent, in Kowloon drüben, gleich an der Südküste, einem der moderneren und doch noch gerade erschwinglichen Hotels, von dessen Dachgarten aus man einen herrlichen Blick über den Hafen hat, bis zu uns nach Hongkong herüber.
»Hallo Joshua«, sagte ich erwartungsvoll in mein Handy. Wir kannten uns zwar gut, trotzdem würde er mich nicht gerade anrufen, um den Hang-Seng-Index mit mir zu erörtern. Er hatte ein Anliegen. Was einem Auftrag gleichkommt, den ein Mann wie ich immer brauchen kann.
Als ich ihm zuhörte, begriff ich, daà ich mich nicht getäuscht hatte. Chiu Yan, wie wir ihn früher immer genannt hatten, Superman, war in meinem Alter. Jemand der seine Karate-Fähigkeiten pflegte, und mit dem sich das Regent ein Goldstück gesichert hatte. Einen der zuverlässigsten Leute in diesem heiklen Geschäft.
Er erzählte mir die Neuigkeit vom Brand im Haus des Filmstars Ai Wu, den die Leute als Gentleman zu sehen gewöhnt sind, in Filmen mit viel Pulverqualm und Blei. Einer der am besten bezahlten Akteure in den Studios, die noch der alte Run Run Shaw begründet hatte, ganz oben im Norden, in den New Territories, in Movie Town.
Als ich alles gehört hatte, sagte ich Joshua, der ein biÃchen indisches Blut in den Adern hat und zuweilen selbst für einen Schauspieler gehalten wird, meinen sofortigen Besuch zu. Und eine Menge Geschichten über Hongkongs blühendes Filmgeschäft fielen mir ein, während ich mich durch etwa siebenunddreiÃig Staus bis zum Tunnel nach Kowloon quälte.
Drüben in Tsim Sha Tsui zockelte ich die Salisbury Road hinunter, bis ich die riesigen Kästen des Hotels vor mir hatte. Manche Leute nannten das Ding das Marmorhaus, weil es unter groÃzügiger Verwendung dieses Baustoffes errichtet worden war. Selbst die Bäder waren damit verkleidet ...
Wir trafen uns trotzdem nicht in einem Bad, sondern in Joshuas elegant ausgestattetem Büro, das in einem Trakt im achten Stock des halbrunden Zentralgebäudes lag, der über einen sehr unauffälligen Seiteneingang zugänglich war. Oder über die eigene Tiefgarage.
Als Eingeborener von Hongkong, der noch dazu einige Zeit bei der Polizei gedient hat, wie ich, weià man, daà dieser Trakt, unauffällig wie er angeordnet ist, auÃer dem Büro des Hausdetektivs nur erlesene Gäste beherbergt, die aus den verschiedensten Gründen daran interessiert sind, daà niemand ihren Aufenthalt im Regent mitbekommt. Vom Staatsgast angefangen über die Leute, die man VIP nennt, auch wenn sie einen Intelligenzquotienten haben, der in etwa ihrer SchuhgröÃe entspricht, bis zum erlebnishungrigen Taipan im Greisenalter, der ohne Aufsehen eine der jungen Damen mit der modischen Oberweite zu vernaschen versucht, ist hier so mancher anzutreffen, der mit seinem Abenteuer nicht unbedingt in der Skandalspalte vom Apple Daily erscheinen will. Womöglich noch mit Foto!
Der Trakt hat seine eigenen Lokale, darunter welche mit gerade einem einzigen Tisch. Auch eigene Bars und Terrassen. Das Personal ist darauf geschult, sich nahezu blind und taub zu stellen â gerade noch die Bestellungen versteht es, und beim Zimmerservice gibt es sich Mühe, das Tablett nicht etwa ins Bett zu kippen, während es über den Vorleger stolpert.
»Du lebst hier wie ein Prinz im Exil«, flachste ich Joshua an. Der grinste.
Der richtige Mann für den Job. Tiefbraune Haut, helle Augen, kurzes, gekräuseltes Schwarzhaar und ein Anzug, wie ihn ein Lord tragen konnte, der sich mit der Erbin eines Schlosses in Schottland treffen will.
Er nickte. »Prinz Eisenherz. Wie ist es dir seit der Heimführung ins groÃe Land ergangen?«
Ich sagte ihm, meine Dschunke sei noch gebrauchsfähig, und Leute, die einen Detektiv brauchten, gäbe es immer noch. Ob der amerikanische Präsident das Regent beehrt habe.
Da war Spott in seinen Augen. »Die Familie hatte andere Pläne. Whisky?«
Ich entschloà mich, an einer dieser ausgewählten Sorten, die Joshua erfahrungsgemäà bevorzugte, wenigstens zu nippen, um wieder einmal den Geschmack der eleganten Welt auf der Zunge zu haben.
Eine
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