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Schwarze Blüte, sanfter Tod

Schwarze Blüte, sanfter Tod

Titel: Schwarze Blüte, sanfter Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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Schauspieler nur vom Hörensagen als populären Darsteller von Frauenrollen. Erst in der letzten Zeit waren Videos aufgetaucht, von Filmen abkopiert, in denen er auftrat. Eine Legende, die hielt, was sie versprach.
    Â»Dann sind Sie so berühmt wie er?« sagte ich auf Geratewohl.
    Sie hörte nicht auf zu lächeln. Aber sie war ein waches Mädchen, und statt mir ihren Ruhm zu schildern, wie das jede junge Gans aus der Hongkonger Szene getan hätte, erkundigte sie sich: »Was war es, das Sie bei uns herausfinden wollten, Mister?«
    Ich sagte mir: angreifen, verwirren, unsicher machen, Reaktionen provozieren, das kann hier weiterhelfen, sonst wohl nichts. Also erkundigte ich mich geradeheraus: »Kennen Sie einen Herrn Ai Wu?«
    Ihr Gesicht veränderte sich bei der Frage nicht, was bei einer schauspielernden Chinesin allerdings kaum etwas heißen will. Aber es klang ungezwungen, als sie zurückfragte: »Hier? Oder in Shanghai?«
    Â»Hier. Ein bekannter Schauspieler. Er ist verschwunden. Ich suche ihn. Vor einiger Zeit war er einmal bei Ihnen. Als er in sein Studio zurückkam, fiel seinen Kollegen auf, daß er ziemlich durcheinander war. Er lief, wie man so schön sagt, weit neben seinem Hut. Und das war wohl nicht auf das Erlebnis einer Ihrer Aufführungen zurückzuführen, sondern auf ein mehr persönliches ... Hätten Sie eine Erklärung dafür?«
    Sie sah nicht verlogen aus, als sie die Schultern leicht bewegte und mir gestand, um das zu beantworten, müßte sie Herrn Ai Wu erst kennen, was aber nicht der Fall war. Leider. Dann fügte sie, ohne zu lächeln, an: »Mister, wir leben in einer Welt, in der persönliches Leid manchmal tausend Gesichter hat ...!«
    Â»Aber – daß er ausgerechnet nach einem Besuch bei Ihnen so niedergeschlagen war – was kann das verursacht haben? Erinnerungen, die ihm bei einer Ihrer Darbietungen kamen? Eine persönliche Begegnung?«
    Wieder bewegte sie die Schultern. Sie gab sich Mühe, höflich zu bleiben, aber ich merkte, daß es für sie wohl interessantere Gespräche geben mußte. Trotzdem sagte sie mit einem Anflug von Anteilnahme: »Einem traurigen Lied, Mister, ist es egal, wessen Herz es bricht ...«
    Ich schätzte ihr Alter. Zur Zeit dessen, was man im Mutterland die Kulturrevolution nannte, mußte sie noch ein kleines Mädchen gewesen sein. Aus den Augenwinkeln sah ich, daß ein paar von den Männern, die im Hintergrund den Schwertkampf mit echt aussehenden klirrenden Mordinstrumenten übten, gut doppelt so alt sein konnten wie sie. Trotz der aufgeschminkten Masken, die eine Schätzung einigermaßen schwierig machten. Ich überlegte: Wenn Ai Wu bei seinem Besuch dieser Truppe jemandem begegnet war, den er vielleicht noch aus Shanghai kannte, was man durchaus vermuten konnte, und der ihn vielleicht dadurch in Melancholie versetzte hatte, daß er mit ihm über vergangene Zeiten sprach, über damals, dann mußte er um die fünfzig Jahre alt sein, mindestens.
    Als ich nach Mitgliedern des Ensembles in diesem Alter fragte, lachte Wei Wen-tang: »Fast alle! Ich bin eine der Jüngsten hier!«
    Â»Welches Glück ich habe, ausgerechnet Sie unterhalten sich mit mir!« Ich lachte übermäßig laut, und das tat ich mit Absicht. Ich hatte nämlich beobachtet, wie einer der älteren männlichen Heldendarsteller, der eben noch mit dem Schwert geübt hatte, eine der Kriegerfiguren also, vielleicht auch der grimmige Beschützer eines Herrschers, etwas, das man heute Bodyguard nannte, seine altertümliche Waffe hatte sinken lassen und zu uns hinübersah.
    Â»Aufschluß könnte mir vielleicht ein Herr im Alter dieses Kämpfers da geben ...«, machte ich das Mädchen aufmerksam.
    Sie belehrte mich heiter: »Das ist Kuang Hung. Minister. Mit dem Schwert Yü Tschou Fung, das ihm vom Kaiser verliehen und dann von meinem Vater gestohlen wird. Ich bin mit seinem Sohn verheiratet, und die Familie meines Mannes wird auf eine Intrige hin getötet. Außer meinem Mann, der mit meiner Hilfe fliehen kann. Ich lebe dann im Haus meines bösen Vaters, den der Kaiser besucht, wobei er mich entdeckt und zu seiner Nebenfrau machen will. Aber ich will das nicht, und um den Kaiser von seiner Idee abzubringen, spiele ich ihm vor, irrsinnig zu sein, das rettet mich davor, Konkubine zu werden, am Hofe ... Meine Schwester spielte lange diese

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