Schwarze Blüte, sanfter Tod
Rolle, bis sie krank wurde ...«
Der Mann mit dem Schwert war herangetreten und rettete mich vor dem Rest der Erzählung, indem er sagte: »Verzeihen Sie, ich spiele den Kuang Hung. Wen-tang spielt Dschao Gaos Tochter ...« Er hielt mir seine Theaterwaffe hin, ein blankgescheuertes, altes, schartiges Schwert, dem man mit einiger Phantasie ansehen konnte, daà es einige hundert Jahre vor unserer Zeitrechnung geschmiedet sein sollte.
»Das ist das Schwert Yü Tschou Fung. Möchten Sie etwas wissen, Mister, das vielleicht ich Ihnen sagen könnte?«
»Dies ist Herr Keng Do-lin«, stellte das Mädchen ihn verspätet vor. »Er ist der Chef unserer Truppe.«
Es war schwer, an dem Gesicht des Mannes, das eine dicke Maske bedeckte, eine Regung zu erkennen, als ich ihm die gleiche Frage wie zuvor dem Mädchen stellte. Er hörte höflich zu, fragte dann: »Wie war gleich Ihr Name?«
»Lim Tok. Ich bin Detektiv.«
»Und Sie arbeiten für diesen ... Ai Wu?«
»So ist es. Er fühlt sich bedroht. Besonders nach dem Brand seines Hauses, und da war dann noch eine Sache in seinem Ho-tel ...«
»Schauspieler?«
Ich verkniff mir die Bemerkung, daà man Ai Wu einfach kannte, wenn man in der Branche arbeitete, in Hongkong jedenfalls. Sagte statt dessen: »Er ist übrigens aus Shanghai gekommen, vor langer Zeit schon ...«
Der Geschminkte mit dem Schwert sagte bedächtig: »So ... so ...« Dann fügte er hinzu: »Ja, wir hatten in Shanghai immer gute Bühnendarsteller.«
»Sie kommen auch von dort?«
»Ich bin stolz, daà ich das bejahen kann. Waren Sie mal in Shanghai?«
»Einmal. Kurz nur. Faszinierende Stadt.«
»Wie Hongkong auch.«
Ich erinnerte ihn: »Sie vergaÃen mir zu sagen, ob Sie den von mir vertretenen Herrn Ai Wu kennen und ob Sie von seinem Besuch bei Ihrer Operntruppe hier etwas wissen!«
Er blieb höflich, als er antwortete: »Leider bin ich, was die Akteure des hiesigen Schaugeschäfts betrifft, nicht sehr bewandert. Und wenn dieser Herr hier gewesen ist, dann hat er gewià jemanden besucht. Werden Sie zu unserer Vorstellung heute abend kommen?«
»Das werde ich gewiÃ!«
»Dann sehen wir uns wieder. Ich darf um Ihr Verständnis bitten â Wei Wen-tang und ich müssen jetzt zur Probe ...« Er verbeugte sich. Der perfekte Gentleman. Erst eine Stunde später, als ich durch den Tunnel nach Hongkong hinüber fuhr, sehr langsam, weil er wieder einmal mit dicken Brummern verstopft war, fiel mir ein, daà Keng Do-lin meine Frage eigentlich nicht beantwortet hatte. Er hatte sich mit netten, aber unverbindlichen Worten daran vorbeigemogelt.
Pipi grinste schadenfroh. »War das Mädchen so hübsch, daà du an nichts anderes mehr denken konntest?«
Ich bestritt das. Obwohl Wei Wen-tang schon einige Vergleiche aushielt. Aber Pipi hatte auf andere Weise recht: meine Aufmerksamkeit hatte mich im Zelt der Operntruppe für eine kurze Zeit im Stich gelassen. Wichtig noch die Frage: warum hatte Keng Do-lin sich so geschickt um eine Antwort gedrückt, wenn ihn die Sache nichts anging? War es überhaupt Absicht gewesen? Oder Unaufmerksamkeit? Wenn Absicht, was konnte dahinterstecken, im Lichte der Beobachtungen, die Mià Logan an Ai Wu gemacht hatte, nach dessen Besuch bei den Opernleuten?
Während ich an der Rezeption des Excelsior stand und zusah, wie Pipi mit Hilfe eines AdreÃbuches zwischendurch schnell einen Gast beriet, der ein echtes türkisches Bad suchte, überlegte ich, ob die vage Spur, die vermeintlich zu den Opernleuten führte, überhaupt etwas hergeben würde. Lohnte es sich, sie zu verfolgen?
Andrerseits wies sie auf Shanghai, und von da kam Ai Wu. Wie mir im Durstigen Fisch in Chinas gröÃter Hafenstadt der Regisseur Bao An gesagt hatte, war Ai Wus unglückliche ehemalige Freundin Bessie einige Zeit, nachdem er selbst sich in Richtung Hongkong davon gemacht hatte, ebenfalls spurlos verschwunden. Auch nach Hongkong?
Ich hatte mir die Frage schon in Shanghai gestellt, damals bei meinem Besuch. Und nicht beantworten können, bis heute.
»Du solltest eine Stunde schlafen«, flüsterte Pipi mir ins Ohr. Sie schob mir einen Schlüssel hin: »Erste Etage. Kleines Dienstzimmer, wenn mal jemand nachts hängenbleibt ...«
Ich lieà mich nicht lange bitten. Die letzten Tage waren turbulent gewesen, und dieser Abend
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