Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarze Blüte, sanfter Tod

Schwarze Blüte, sanfter Tod

Titel: Schwarze Blüte, sanfter Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
Vom Netzwerk:
Art Premierenfeier, wie es sie öfter gab. Wußte er tatsächlich so wenig? Oder hatte er sich so gut auf meinen Besuch vorbereitet, daß es ihm jetzt gelang, den unwissenden Angestellten zu spielen, in einer Firma von genau der Größe, die dafür spricht, daß einer den Klatsch über den anderen kennt?
    Â»Ich werde weitersuchen«, versicherte ich ihm freundlich, als ich mich nach ein paar weiteren, belanglosen Fragen und ebenso nichtssagenden Antworten schließlich verabschiedete.
    Das Foto gab er mir auf meine Bitte hin mit. Er sagte sogar, daß er das gern tat. Machte mich ganz unbefangen auf das Gesicht einer jungen Dame aufmerksam, die etwas im Hintergrund zu sehen war: »Das ist übrigens Miß Lee. Sie produziert bei der Konkurrenz, aber sie und Mister Blair kennen sich ...«
    Dabei machte er ein Gesicht wie ein Nichtraucher, der über die Geschmacksvarianten von Zigaretten redet.
    In meinem Kopf spukte der Aphorismus eines alten chinesischen Philosophen herum, in dem es heißt, die Sprache diene den Menschen im wesentlichen dazu, sich gegenseitig zu belügen.
    Die Fotografie, eine erheblich jüngere Erfindung als die menschliche Sprache, erwies sich wenig später für mich als etwas, das hätte erfunden worden sein können, um verborgene Zusammenhänge zu erhellen.
    Ich streifte zum ersten Mal in einer dieser lächerlichen, knielangen und knallbunten Kattunhosen und einem ebensolchen Hemd, auf das sämtliche Palmen Honolulus gedruckt waren – in Naturfarben! – den Strand entlang, einfach, um nicht nur fortwährend zu arbeiten, sondern auch einmal etwas von dem Flair zu schnuppern, das Millionen anlockt, und wofür diese Millionen bemerkenswerte Summen bezahlen.
    Auf meiner Hemdenbrust stand, von bunten Palmen eingerahmt, in Blocklettern Ich liebe alle Touristen. Auf dem Rücken ging der Spruch weiter Sobald sie Hawaii verlassen!
    Zuerst war es nur ein Gesicht, das mir von der Wand einer Getränkebude her zulachte. Es kam mir vage bekannt vor, aber ich wußte nicht gleich, wer diese junge Dame mit den kontinentalen Mandelaugen und dem sehr langen Haar sein könnte, die mich da vom Plakat anlächelte. Und nahe genug ging ich nicht heran.
    Wenig später, als ich mich gerade an der Akrobatik erfreute, mit der ein paar ranke Mädchen Sandvolleyball spielten, drückte mir ein vorüberflitzender Knirps das Flugblatt mit demselben Gesicht in die Hand, und – hier war der Name des bezaubernden Wesens nun wirklich groß genug gedruckt, um selbst für einen Maulwurf noch lesbar zu sein: Francis Lee.
    Sie gab sich die Ehre, am Abend, nach Sonnenuntergang, im Foyer des Royal Hawaiian aufzutreten, zusammen mit einigen weniger bedeutenden Künstlerinnen des wohltönenden Gewerbes, deren Namen dementsprechend kleiner gedruckt waren. Ein Service des legendären Hotels, so war da zu lesen, für seine Gäste, besonders für eine Schiffsladung von Vietnamkriegs-Veteranen aus den Vereinigten Staaten, die auf dem nostalgischen Trip zu den Stätten der weniger frohen Taten ihrer Jugend hier Station machten. Nette Idee. Allerdings betrug der Preis für einen Sessel im Foyer vierundzwanzig Dollar. Der Stehplatz war vier Dollar billiger.
    Ich gönnte mir in Anbetracht der von Laureen Blair als Honorar ausgesetzten Summe einen Sessel. Zuvor duschte ich mehrmals, tauschte die Clownshosen und das Palmenhemd gegen einen altweißen Tropenanzug, von dem Pipi, die liebe Kleine in Hongkong, mir versichert hatte, den trüge ein Gentleman von Format heutzutage in tropischen Hotels zum Dinner und zu verwandten Anlässen, und zuletzt steckte ich mir noch eine knallrote Blüte aus dem täglichen Zimmerblumenstrauß ins Knopfloch.
    So geschmückt pflanzte ich mich in den teuer bezahlten Sessel und hoffte, daß niemand ringsum bemerkte, daß mein Atem noch leicht nach den Gewürzen der Spare ribs duftete, die ich zuvor genossen hatte. Die Kerle in der Küche des Royal Hawaiian rieben die Rippchen offenbar mit Knoblauch ein, ohne den feinen Mann darauf aufmerksam zu machen, wenn er sie bestellte, daß er danach näheren Kontakt mit der übrigen Menschheit tunlichst vermeiden sollte. Während ich noch darüber nachdachte, welche Katastrophen aus der Unkenntnis der Küchengebräuche fremder Völker für den arglosen Gentleman erwachsen können, wenn er sich mit der Absicht trägt, nach dem

Weitere Kostenlose Bücher