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Schwarze Blüte, sanfter Tod

Schwarze Blüte, sanfter Tod

Titel: Schwarze Blüte, sanfter Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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von Abgeordneten. Es ist nur eine Frage des Preises. Und der Machart.
    Wes Blair hatte es versucht. Nun wollte ich etwas mehr wissen. Ich hatte Glück. Der junge Mann, der Francis Lee persönlich managte, nahm mir meinen Spruch ab, wenngleich er nicht gerade Begeisterung zeigte, was mir andeutete, er habe einen Produzenten, und zwar einen, mit dem er zufrieden war.
    Er wies auf einen Sessel: »Nehmen Sie Platz, Sir, wie war der Name?«
    Ich sprach es noch einmal deutlich aus: »Clifford Jones. Musikvertrieb Hongkong Records . Wir beliefern einen großen Teil der Musikläden auf dem chinesischen Festland, unsere Absätze sind erheblich dort. Außerdem Hongkong. Pazifische Anrainer. Ich höre Miß Lee zum ersten Mal, und ich bin begeistert!«
    Â»Sie ist eine mitreißende Sängerin«, stimmte er mir zu. Kunststück, welcher Manager wird schon seinen Klienten schlecht finden! Mir war es darauf angekommen, daß er mir überhaupt erst einmal zuhörte, und das tat er, ohne daß ich die Sängerin erneut loben mußte.
    Â»Sie ist bei Southern Islands unter Vertrag, höre ich?«
    Â»So ist es.«
    Ich machte eine bedeutungsvolle Pause, während weiterhin ohne die Sängerin musiziert wurde. Dann schoß ich die Frage ab: »Mister Thi, ich möchte, daß diese hervorragende Künstlerin in unserem Programm einen gebührenden Platz findet. Ich respektiere den mit Mister Imai von Southern Islands bestehenden Vertrag. Aber ich biete die Chance für eine Abmachung, die uns beiden nützt. Ich könnte einzelne Titel in Lizenz nehmen. Auch eine Sammlung ihrer besten, auf Disc oder Kassette. Wären Sie bereit, Miß Lee und Mister Imai das zu übermitteln?«
    Ich log, daß die Vögel hätten vom Himmel fallen müssen, und ich wurde schließlich unterbrochen, als Francis Lee die Schlußphase der Veranstaltung mit dem Lied »Bye bye Saigon« einleitete, dem vielleicht traurigsten Lied, das sie an diesem Abend bot.
    Von einem Team hervorragender Handwerker hergestellt, wie ich meinte, die Geschichte des Abschieds der GI’s an jenem trüben Frühlingsmorgen, als die Vietcong in die Stadt rollten. Weinende Bräute, zurückgelassen in der Ungewißheit, wütende Soldaten in den Hubschraubern und eine Flagge, die schlapp am Mast hing wie die Haut eines erschlagenen Tieres, dessen Todesschrei im Geratter der Hubschraubermotoren und dem Gerassel der Panzerketten unterging. Wie eine Jugend, die man gelebt hat, ohne lästige Sorgen. Ein Stück von der Sorte jenes blendend gemachten, sogar leicht patriotisch angehauchten Kitsches, der in fast jedem Land der Welt überfüllte Stadien voller Narren zur Raserei bringen kann.
    Kürzlich hatte ich irgendwo gelesen, daß die GI’s mehr als sieben Millionen Tonnen Bomben auf Vietnam abgeworfen hatten und der Krieg den Vietnamesen allein eine halbe Million Krüppel bescherte, abgesehen von den Toten. Jetzt, bei diesem Lied, war es mir beinahe unangenehm, daß mich meine grauen Zellen an die Zahlen erinnerten – sie störten die herrliche Sentimentalität des Augenblicks.
    Mister Thi hatte geschwiegen, wie um den Paradesong erst verklingen zu lassen, bevor er mir antwortete. Jetzt verbeugte sich Miß Lee, während das Publikum tobte, und als endlich wieder zu verstehen war, was die Sängerin ins Mikrofon hauchte, vernahm ich die beunruhigenden Worte: »Danke für Ihre Güte. Es war das letzte Lied in meinem Leben. Man erpreßt mich. Aber ich werde nicht nachgeben. Ich habe alles erreicht. Behalten Sie mich in Ihrer Erinnerung. Meine Lieder werden weiterleben. Aloha!«
    Damit hob sie die rechte Hand, in der sich plötzlich eine kleine, flache Pistole befand. Sie setzte sie an die Schläfe und drückte ab. Einfach so.
    Das alles geschah blitzschnell und überraschend, niemand war in der Lage, etwas dagegen zu unternehmen. Der Knall des Schusses war dünn, gedämpft. Francis Lee fiel hintenüber und blieb liegen.
    Erst da löste sich beim Publikum die Erstarrung. Wich einem entsetzten Stöhnen, lauten Schreckensrufen und Stimmendurcheinander.
    Ganz hinten rief einer, der entweder betrunken war oder nichts von alldem begriffen hatte: »Da capo!«
    Von den Musikern stürzten einige zu Francis Lee, um zu helfen. Auch aus dem Publikum rannten Leute nach vorn.
    Ich gestehe, daß ich selbst so überrascht war wie selten in meinem Leben,

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