Schwarze Blüte, sanfter Tod
Stühlen standen. Dort lieà ich mich nieder. Hatte den Lincoln Keng Do-lins und auch den Eingang der Klinik im Auge, während ich meine Cola trank und überlegte, ob ich mir ein Hot Dog leisten sollte. Nachdem ich meine Uhr konsultiert hatte, entschloà ich mich dafür. Zu meiner Ãberraschung konnte ich die Frage des Budenbesitzers, ob es mir geschmeckt habe, sogar wahrheitsgemäà positiv beantworten, was mir an solchen Einrichtungen, die in der flauen Tageszeit nur alle zwei Stunden etwas verkaufen, nicht so oft passiert.
Danach wurde die Zeit lang. Ich hatte bis in die Mittagszeit zu warten, bevor der Opernstar endlich vor dem Eingang der Klinik erschien. Er blieb einen Augenblick stehen. Es hatte den Anschein, als würde er nach einem wenig tröstlichen Erlebnis das Bedürfnis haben, erst einmal tief Luft zu holen. Hatte ihn der Besuch bei seiner erkrankten Darstellerin so mitgenommen?
Langsam ging er schlieÃlich zu seinem Lincoln und fuhr ab.
Ich hatte mich entschlossen, ihm nicht zu folgen, er würde vermutlich zum Standplatz der Truppe zurückfahren, und ich hatte hier zu tun: herausfinden, ob die erkrankte Aktrice mir einen Hinweis liefern konnte. Zuerst aber feststellen, ob es auch wirklich die Aktrice gewesen war, die ihn hierher geführt hatte.
Dazu hatte ich mir ausgedacht, wie ich das Personal am besten einwickeln konnte. Routine für einen Mann meines Fachs.
Im Vorraum befand sich eine Art Empfangstisch, der entfernt an eine Bartheke erinnerte, nur daà davor keine Hocker standen und es dahinter keine Flaschen gab. Da stand eine bebrillte Schönheit im reifen Alter, die mir erwartungsvoll entgegenblickte, als ich meinen Akt abzog, erregt auf sie zulief, ein wenig hilflos, unzufrieden mit mir selbst, nach innerer Versöhnung suchend, äuÃerlich so höflich wie es mein vorgezeigter Zustand erlaubte.
»Jetzt ist er doch inzwischen dagewesen ... oh, möge er mir jemals verzeihen, wir waren so fest entschlossen, es gemeinsam durchzustehen ... er war es doch, der da eben abfuhr ... oder?«
Sie gab nicht zu erkennen, ob ich sie belustigte oder ihr auf den Gurt ging. Fragte so freundlich, wie man einen Erregten fragt, um ihn nicht noch weiter aufzuregen: »Sie meinen den Herrn Keng? Der war es, der soeben das Haus verlieà ... sehr richtig ...«
Ich schluckte, wie um Atem ringend. »Keng Do-lin, ja! Hat er mich gesucht? Warum hat er nicht auf mich gewartet?«
Sie dachte einen Augenblick nach, dann schüttelte sie den ordentlich gelockten Kopf.
»Wenn Sie Herrn Keng meinen, der hat nach niemandem gefragt. Er kam vor etwa zwei Stunden und ging sogleich in den Park, jemanden zu besuchen ... aber er fragte mich nach niemandem, mit dem er sich hier treffen wollte ...«
Ich schlug, den Verzweifelten spielend, die Handflächen zusammen. »Und ich wollte, daà wir zuvor noch mit dem Herrn Chefarzt ein paar Worte wegen meiner ... eh ... ich meine, solche Nervensachen ... Sie verstehen ...?«
»Ja, ja«, sagte sie, als hielte sie meine Nerven für angekratzt. Sie wirkte beinahe wie die verständnisvolle Gouvernante, die einem kleinen Jungen zuhört, der ihr beichtet, daà er seine Pubertät entdeckt hat.
»Wenn Sie den Herrn Chefarzt von Nerven aufsuchen wollen ... ich kann mich telefonisch erkundigen, ob er frei ist. Ihr Name?«
Chefarzt von Nerven. Ich hatte Poker zu spielen, in der Hoffnung, daà das der Mann war, mit dem Bobby Hsiang meinen Besuch vereinbart hatte.
»Lim Tok«, gab ich ihr Auskunft.
Sie tippte eine Zahl auf der Wählskala des Telefons, sagte dann merklich respektvoll: »Doktor Nieh, hier ist ein Herr Lim Tok. Er sagt ... ach, Sie wissen Bescheid?«
Ich atmete auf. Gab mir Mühe, es zu verbergen. Als sie mir den Hörer hinhielt, belohnte ich sie mit einem Blick, der einen Stapel Pralinenkästen aufwog.
»Mister Lim Tok?«
»Ja!« Meine Stimme klang noch etwas beklommen, aber das schien dem Arzt nicht weiter aufzufallen.
Er sagte: »Mister Hsiang hat mir Ihren Wunsch übermittelt. Lassen Sie sich den Weg zu mir zeigen, wir residieren ganz weit hinten, auf den Park zu. Bis gleich!«
Die Dame hinter der alkoholfreien Theke gab mir eine Lernschwester mit, die mich über ein Dutzend verschiedener Korridore durch immer neue Abteilungen bis in ein separates Gebäude weit hinten am Park führte, wo sie mich mit einer höflichen Verbeugung im Vorzimmer
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