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Schwarze Blüte, sanfter Tod

Schwarze Blüte, sanfter Tod

Titel: Schwarze Blüte, sanfter Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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einer Dame und Wiederauftauchen derselben als Wasserleiche mit Brillanten paßte überhaupt zusammen!
    Ich steckte dem Parkplatzwächter vorsichtshalber meine Karte mit der Handy-Nummer zu: »Falls Ihnen noch etwas einfällt, oder falls der Daihatsu mit demselben Fahrer wieder hier auftauchen sollte ...«
    Er versprach, mich dann sogleich anzurufen.
    Zwei Stunden später hatte ich die Stelle an der Küste von Hung Hom Bay erreicht, an der Mrs. Ronaldos Leiche gefunden worden war. In den Gebüschen in Wassernähe hingen noch Fetzen von polizeilichem Trassierband. Nooki hatte recht gehabt, es gab hier bis weit hinaus seichtes Wasser, und der Grund bestand teilweise aus schrundigen Felsbrocken. Es lag auf der Hand, daß Mrs. Ronaldo hier zwar angeschwemmt worden war, die Stelle aber, an der man sie ins Wasser der Bucht geworfen hatte, sich ganz woanders befand. Wer trägt schon eine Leiche einige hundert Meter durch Seichtwasser, bis sich langsam Tiefe einstellt!
    Ich beschloß, mich nicht lange aufzuhalten und erst einmal nach Aberdeen heimzufahren und auszuschlafen. Nötig hatte ich es.
    Zuvor rief ich noch Bobby Hsiang an und setzte ihn über das Auto von Mrs. Ronaldo auf dem Parkplatz am Spaßzentrum ins Bild. Riet ihm, den Wächter nach seinen Beobachtungen zu fragen. Wenn wir schon das taten, was die Obrigkeit nicht gern sah, taten wir es doch gründlich. »Danke«, sagte Bobby. »Wir lassen den Chevy abholen. Mit dem Wächter rede ich. Und morgen treffe ich mich mit dem persönlichen Anwalt von Mrs. Ronaldo. Der verwaltet auch die Verfügungen, die für den Fall vorzeitigen Ablebens getroffen wurden. Ruf mich nachmittag an ...«
    Als ich mich auf der wie immer um diese Zeit mit Staus gespickten Hong Chong Road in Richtung Tunnel nach Victoria vorwärts stotterte, fiel mir ein, daß ich Bobby eigentlich noch nach diesem ominösen »Ti. Ho.« in Miß Silvas Kalender hätte fragen sollen. Vielleicht war seinem Computer dazu ja schon eine Idee gekommen. Ich schob es auf. Morgen war auch noch ein Tag. –
    Der gute Wu, den ich in meinem hauptsächlich als Postadresse benutzten Büro in der Cameron Street aus dumpfem Brüten aufschreckte, sah aus wie ein Fakir, der gerade die Amöbenruhr überstanden hat.
    Ich hatte ihn, ohne Miete zu verlangen, hier einziehen lassen, weil die Stadtkasse für so menschenfreundliche Berufe wie seinen ein Entgelt zahlte, das etwa die Hälfte der Summe ausmachte, die ein betuchter Seifenhändler am Sonntag in Happy Valley beim Pferderennen zu verlieren pflegte. Er hatte mir leid getan. War Sozialhelfer. Ehrlich um die gefährdeten Seelen der Hongkonger
    Straßenkinder bemüht. Hatte einen Mißerfolg nach dem anderen. Gab aber nicht auf.
    Â»Was ist passiert?« erkundigte ich mich, während ich die Post durchblätterte, die er sorgfältig auf meinem Schreibtisch aufschichtete, wenn ich einmal längere Zeit nicht dazu kam, zwischen den Versicherungsangeboten, den Erinnerungen, daß ich lange nichts für Babys in Not gespendet hatte, und den einfachen Prospekten der Pizza-Hütten die Briefe herauszufischen, in denen mir vage ein Job in Aussicht gestellt wurde. Heute war nichts in der Art dabei. Ich ließ den Packen ohne Trauer in den Papierkorb fallen.
    Nach einer Weile sagte Wu zaghaft: »Der kleine Bo ...« Verstummte wieder.
    Der kleine Bo war der mißratene Sohn seiner ledigen Schwester. Einer jener Jungen, die in den Gassen aufwuchsen, zwischen Schnorrern und Tagedieben, weil die Mütter bei Burger King Suppe rühren mußten, um das freiheitliche Leben bestreiten zu können. Es hatte Ärger mit Bo gegeben, seitdem man ihm in den Gassen beigebracht hatte, wie man eine Damenhandtasche so leert, daß ihre Trägerin das nicht bemerkt. Gelegentlich hatte es eine doch gemerkt, und er war auf frischer Tat verprügelt worden. Ich fragte Wu, ob das auch jetzt wieder geschehen sei. »Vor einer Woche«, eröffnete er mir, »da klaute er der Freundin eines Herrn Jerome Blondel einige hundert Große aus der Handtasche. Sie kam aus einer Bank. Was er übersah, war, daß Mister Blondel gegenüber mit dem Auto auf sie wartete und das Ding beobachten konnte. Er stieg aus und verbleute Bo. Sah die Sache wohl damit als erledigt an. Aber Bo nicht. Und jetzt ...«
    Er verfiel wieder in Schweigen. Jerome Blondels Freundin! Ich verbiß mir ein Grinsen. Der

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