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Schwarze Blüte, sanfter Tod

Schwarze Blüte, sanfter Tod

Titel: Schwarze Blüte, sanfter Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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kein Haus.
    Das Alibi stimmte, wie ich herausfand. Der Klient war an genau dem Abend, den er angab, beim Jai Alai in Macao gewesen, hatte gewettet und sogar gewonnen.
    Der Buchmacher konnte tatsächlich den Abschnitt des Wettscheins vorweisen, der mit dem Rest des Scheins identisch war, den der Anwalt dem Gericht vorzulegen beabsichtigte. Ich erledige solche Gelegenheitsaufträge eigentlich nicht gern, aber zum einen war der Anwalt ein guter Freund, und zum anderen beherzige ich eben die alte Weisheit, nach der ein Mann, der reich werden will, auch solche Arbeiten nicht verschmähen soll, die keine Krone tragen.
    Obwohl – irgendwas kann an dem Spruch nicht ganz stimmen, denn reich bin ich trotz seiner Befolgung bisher nicht geworden. Aber vielleicht kommt das ja noch.
    Weil ich auch zu Hause nichts weiter versäumte, blieb ich über Nacht und konnte am Abend selber im Jai-Alai-Stadion ein paar Wetten tätigen. Leider ohne Erfolg. Die Götter sind dagegen, daß Lim Tok ein reicher Mann wird.
    Das Jai Alai ist eigentlich eine spanische Erfindung und schon ein paar Jahrhunderte alt. Die Portugiesen führten es in ihrer Kolonie Macao als Freizeitspaß ein. Da spielen jeweils acht Ballwerfer in Zweiergruppen gegeneinander, indem sie mit einem gekrümmten Wurfgerät, das entfernt an eine riesige Suppenkelle erinnert, die jemand auf annähernd rechtwinklige Form gebogen hat, harte Gummibälle gegen eine Wand schleudern.
    Der Dreh des Spiels besteht darin, daß der Gegenspieler den zurückprallenden Ball auffangen und ihn sofort wieder gegen die Wand schleudern muß, worauf der andere ihn zu fangen hat – so geht das weiter, bis einer unterliegt, weil er den Ball verpaßt. Der nächste aus der Mannschaft ersetzt ihn dann. Die Mannschaft, die schließlich zuerst über keinen Spieler mehr verfügt, hat verloren.
    Es ist schon spannend, so einen Kampf zu beobachten, zumal das Spiel buchstäblich lebensgefährdend ist. Die Bälle erreichen im Flug eine Geschwindigkeit, die meist nur wenig unter zweihundert Stundenkilometern liegt – wer solch ein Ding an den Kopf bekommt, ist tot. Deshalb spielen die Mannschaften auch in engmaschig vergitterten Käfigen – wenn Sie so etwas noch nie gesehen haben. Mit Tennisschlägern gespieltes Squash ist, wie ich glaube, eine abgemilderte, zivilisierte und nicht mehr lebensgefährliche Variante davon. Die humanistische Alternative zu den barbarischen Spielen der alten Kolonialportugiesen.
    Meist spielen nur Profis Jai Alai. Die Amateure sitzen außerhalb des Käfigs, verwetten ihr Geld und setzen den Gewinn gleich in Rotwein um.
    Ich war vom langen Zuschauen am Abend müde, verschlief die Nacht in einer ruhigen Herberge und tauchte sozusagen erst am späten Vormittag wieder unter den Lebenden auf und in die lärmende Welt ein. Eine der trotz Modernisierung immer noch laufenden Fahrradrikschas setzte mich am Porto Exterior ab, wo die Tragflächenboote nach Hongkong abfahren.
    Für die Stunde, die man in so einem Ding bis Shun Tak braucht, wo ich zum Mittagessen mit meinem Auftraggeber verabredet war, hatte ich mir die »Newsweek« gekauft, um mich zu bilden. Infolgedessen konnte ich mich ausführlich über die Angst der Hongkonger vor der Vereinigung mit China informieren. Da war eine ganze Liste meist betuchter Leute aufgeführt, die sich schon aus Hongkong bis auf die Bermudas oder nach Kanada, auch nach Südafrika verzogen hatten. Über andere wieder wurde berichtet, daß sie dabei wären, sich mit der neuen Administration im voraus zu verständigen, auf daß die Geschäfte weitergingen – wie es hieß, für fünfzig Jahre ohne Einschränkung. Mir kam das so vor, als hätte die »Newsweek« wesentlich mehr Bedenken gegen die Vereinigung als etwa ich. Was die neuen Verhältnisse betraf, die da auf die Hongkonger zukamen, sah sie sehr schwarz. Ich las die lange Abhandlung zu Ende und warf zwischendurch nur einmal einen Blick auf meinen Nachbarn, der offenbar schläfrig wurde und den Kopf auf die Brust sinken ließ. Ein Mann mit einem militärisch anmutenden Haarschnitt, den Spaßvögel bei uns »kontinental« nannten, weil die Soldaten der Pekinger Armee auf ähnliche Art geschoren wurden – allerdings erst, wenn sie mindestens Corporal waren, vorher trugen sie Bürste.
    Der Mann hatte ein knallbuntes Hemd an, mit Palmen und Wahinen bedruckt,

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