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Schwarze Blüte, sanfter Tod

Schwarze Blüte, sanfter Tod

Titel: Schwarze Blüte, sanfter Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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vielleicht ein Urlauber, der eine sündige Nacht in Macao verbracht hatte. Auch etwas, wovon die »Newsweek« voraussagte, daß die Pekinger es in Hongkong abschaffen würden.
    Dabei kann man heute in Kanton beispielsweise schon in einer Nacht mehr sündigen, als man mit einem Monatsverdienst zu bezahlen imstande ist. Oder ins Shenzhen. Nun ja, die Kerle bei der »Newsweek« unterscheiden sich eben nur in der Aufmachung und im Anspruch von all diesen anderen Garbanzo-Journalisten, die ihre Frühlingsröllchen verdienen, indem sie mit Dingen, von denen sie nichts verstehen, die leeren Flecken zwischen den Anzeigen von Camel und Microsoft füllen.
    Was mich und meine Profession als Privatdetektiv angeht, so hat mir erst unlängst mein alter Freund Bobby Hsiang, der in der Kriminalpolizei der Kolonie für die Aufklärung von Schwerverbrechen zuständig ist, versichert, daß man ihm bereits angekündigt habe, er werde dasselbe nach der Heimkehr ins Reich der Mitte weitermachen, vielleicht mit ein paar Schulungskursen zwischendurch, in denen er neue Gesetze kennenlerne. Und Privatermittler, so Bobby, wären soeben in Peking als Beruf eingeführt worden.
    Ich warf einen Blick auf die Uhr. Wir waren schon an Kennedy Town vorbei. Das Ocean Terminal in Kowloon war an der linken Seite zu erkennen, rechts lag Victoria. Ich entsorgte die ausgelesene »Newsweek« unauffällig hinter der Armlehne meines Sitzes. Jetzt wußte ich endlich, was mich 1997 im Hinblick auf Grausamkeiten erwartete.
    Beim Aufstehen warf ich noch einen Blick auf meinen Nachbarn, der selig weiterschlief, mit tief auf die Brust gesunkenem Kopf.
    Wer mich näher kennt, weiß, daß ich ein freundlicher Mensch bin, auch hilfreich. Meine Mutter, die eine Kneipe in Wanchai führt, versicherte mir ab und zu, diese Eigenschaft hätte ich von meinem Vater geerbt, einem amerikanischen Marinepiloten, der in Korea fiel. Hier war nun wieder einmal eine Chance, meine stets unterbewerteten Charakterzüge unter Beweis zu stellen. Ich tippte dem Nachbarn im bunten Hemd leicht auf die Schulter, zwischen die Abbildung einer Kokosnuß und des Bikinibusens einer Wahine und flötete so fröhlich es mir gelang: »Hallo, Sir, wir sind daaa!«
    Das wiederholte ich zweimal, ohne daß er reagierte. Da klopfte ich ihm etwas kräftiger auf die Stelle mit der Kokosnuß, mit dem Ergebnis, daß er nach der Seite umkippte und still liegenblieb.
    Mein Instinkt setzte sich gegen Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft durch, und ich legte zwei Finger an seinen Hals, dorthin, wo man das Pulsieren der Schlagader spüren konnte, bei lebenden Menschen. Doch da pulsierte nichts mehr. Der Mann war tot. – Zwangsläufig mußte ich, wie die anderen Passagiere auch, warten, bis jemand von der Polizei an Bord kam, mit ihm die Unfallmedizin. Es gab keinen Verdacht gegen mich, es gab überhaupt keinen Verdacht, denn nach oberflächlicher Untersuchung erklärten die Mediziner, es seien keine Spuren von Gewaltanwendung zu finden. Jeder in der Kabine hatte auch gesehen, wie der Mann an Bord gekommen war und sich hingesetzt hatte. Er mußte – aus was immer für einem Grunde – während der Fahrt sanft entschlafen sein.
    Als sich das Boot nach routinemäßiger Feststellung aller Personalien langsam leerte, war die Sache beinahe schon vergessen, schließlich gehörte es zu den Erscheinungen des Lebens, daß zuweilen Leute starben, und das geschah nicht immer nur in Kliniken nach einer teuren Herzoperation ...
    Das »Victoria« war zwar nicht eines der modernsten Hotels, es hatte gerade mal zwei Sterne, aber dafür saß man hier recht gemütlich und konnte sicher sein, daß die Gemüse auf jeden Fall frisch waren. Beim Fleisch empfahl es sich, nicht nachzufragen, denn der Küchenchef konnte Katholik sein, und wenn er im Geschäftsinteresse zu lügen hatte, so konnte das immerhin seine ewige Seligkeit gefährden. Ich wendete meine eigene Methode an, als der Anwalt nach meinen Wünschen fragte.
    Â»Ich bin auf Diät«, behauptete ich mit ernstem Gesicht, »da esse ich eine Woche nur Spargel, die zweite nur Möhren ...«
    Â»Also Möhren?«
    Ich korrigierte ihn sanft, nicht ohne Schadenfreude: »Ich bin noch in der ersten Woche. Spargel bitte.«
    Das bescherte mir eine gesunde Mahlzeit ohne Risiko. Und der Anwalt, dem ich feierlich eine beglaubigte Kopie des

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