Schwarze Blüte, sanfter Tod
weniger erfreulich, er brannte sich, um die Zeit bis zu den Vorspeisen zu überbrücken, einen seiner Stinker an. Aber dann überraschte er mich mit der fröhlichen Eröffnung: »Du muÃt auf die Dame aus Shanghai einen mächtigen Eindruck gemacht haben. Hoffentlich bezahlt sie dich auch danach.«
»Die Kosten trägt der Schwiegervater«, stellte ich richtig und schloà daran gleich die Frage: »Was gibts aus der Pathologie?«
Er nahm einen weiteren Zug Bier, der das Glas leer zurücklieÃ, und als der Wirt, der um diese Zeit noch keine weiteren Gäste zu bedienen hatte, es wegtrug, um es erneut zu füllen, antwortete Bobby mir: »Tja, die Leichenschänder ... Sie haben da ein Problem. Das mit der toxischen Substanz im Verdauungstrakt steht fest. Bloà was für eine Substanz das war, darüber herrscht Nebel. Keine Ahnung.«
»ScheiÃ-Wissenschaft!« Die Bemerkung brachte mir ein zustimmendes Feixen von Bobby ein. Dann hatten wir eine Weile mit den gefüllten Pilzköpfen zu tun, die der Wirt auf den Tisch stellte. Als nächstes schleppte er die Nudelnester an und den Tofu mit Hackfleisch. Wir spendeten Lob, wie er das erwartete, und während er wieder zur Küche ging, um den Salat aus Bambussprossen zu holen, merkten wir bei den ersten Bissen, daà das Lob keinesfalls verschenkt war.
Wie auf Verabredung widmeten wir uns den Speisen. Stocherten mit unseren Stäbchen in der Pracht herum, die der Wirt auftischte, und obwohl das, was wir aÃen, eigentlich ein recht durchschnittliches Mahl war, fühlten wir uns wie die Könige. Es war die Ruhe, die wir hatten, hier in der kleinen Kneipe, das Fernsein von Beruf und fremden Augen, das uns gelöst schmatzen lieà und die Rätsel der Welt, auch die des Toten auf dem Hydrofoil, verdrängte.
Wir vergaÃen sie über den Rippchen, auch über der Huntunsuppe, die der Wirt dann doch noch anschleppte, und hin und wieder prosteten wir uns mit den winzigen Cloisonné-Schälchen zu, die Hung Tom jedesmal wieder mit dem für unsere Nasen wohlriechenden Hirseschnaps auffüllte.
»Unlängst«, erzählte Bobby, während er ein letztes Rippchen beknabberte, »hat einer bei uns mandschurischen Bai Gar spendiert. Kennst du das Zeug?«
Ich kannte es. Meiner Mutter war es billig von Schmugglern angeboten worden. Es war sozusagen eine Schnellanfertigung des ehrwürdigen Mao Tai, unausgereifte Massenware zum Zwecke der Bedröhnung, geeignet für Leute ohne Sinn für GenuÃ.
»Man glaubt, es fährt einem jemand mit der Schornsteinbürste in den Rachen«, sagte ich, »so brennt das. Ãbrigens â was halten die Leichenschänder bei dem werten Shanghai-Toten eigentlich von Fugu-Gift als Ursache?«
Bobby lachte: »Wir muÃten zwei von den jungen Kerlen bei uns gegen Mittag nach Hause fahren, so kotzelend war ihnen vom Bai Gar. Nichts Gutes mehr gewöhnt. Verweichlicht mit diesem wäÃrigen englischen Gin, oder sogar Cola mit Rum! Nein, Fugu war es nicht, das haben sie verläÃlich festgestellt.«
Schade. Ich hatte vor einiger Zeit einmal mit einigen Morden zu tun gehabt, die auf das Gift des Kugelfisches zurückgingen. Ein ungeschickter Koch konnte das völlig unbeabsichtigt in eine Mahlzeit praktizieren, wenn er mit dem Messer beim Ausnehmen nur den geringsten Fehler machte.
»Also kein Fugu. Was war es dann?«
Bobby widmete sich einer Schale mit Litschis, die der Wirt ebenfalls auf den Tisch gestellt hatte. Er pellte eine ab, schälte sie mit den Zähnen vom Kern, und während er sie im Mund genuÃvoll hin und her wälzte, vertraute er mit an: »Die Schwierigkeit ist, daà sie keine Spuren gefunden haben. Alle bekannten Gifte hinterlassen Spuren. Hier gab es keine. Nur aus der Beschaffenheit bestimmter Organe und aus der Tatsache, daà der Mann nicht die geringste Wunde aufwies, nicht einmal einen aufgekratzten Pickel, schlossen sie auf Gifttod. Und sie versicherten mir, es gäbe schon Substanzen, die derart spurenlos wirkten, daà es tatsächlich zuweilen nicht gelinge, eine exakte Bestimmung zu treffen.«
»So eine Substanz müÃte sozusagen mit Verzögerung gewirkt haben«, machte ich ihn aufmerksam, »denn der Mann war ja bei bester Gesundheit, als er sich neben mich setzte. Und bis zur Anlegestelle wird er auch einen gewissen Weg gehabt haben.«
»Vom Mandarin Oriental mit dem
Weitere Kostenlose Bücher