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Schwarze Blüte, sanfter Tod

Schwarze Blüte, sanfter Tod

Titel: Schwarze Blüte, sanfter Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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ich meine, die Urbevölkerung da unten in Papua. Die Männer, die noch unbekleidet herumlaufen und unbeleckt von der modernen Zivilisation in den Urwäldern leben, in den Gebirgen, schützen damit dieses Körperteil ... das sie haben ...«
    Sie geriet durcheinander, und ich fühlte mich verpflichtet, dem peinlichen Spiel ein Ende zu machen. Ich machte das ernsteste Gesicht der Welt und winkte ihr, daß ich verstanden hatte: »Gut, gut, das ist mir jetzt klar! Aber darauf wäre ich allein nie gekommen ... Danke! Ich entschuldige mich in aller Form, daß ich darauf bestanden habe, das zu erfahren.«
    Nun winkte sie ab. »Sagen Sie lieber Mister Chester, er soll das Ding sonstwohin stecken. Sie sind schon der dritte, dem ich erklären muß, daß die Nachfahren der Kannibalen in Papua ihre ... dieses Körperteil immer noch in einem Etui tragen!«
    Ein aparter Gedanke! Ganz hinten in meinem Gedächtnis dämmerte etwas. Ich hatte zumindest schon einmal davon gehört, hatte aber keine Vorstellung davon gehabt, wie so etwas aussah und ob es sich da nicht ganz und gar um einen Schwindel handelte, den mir einer aufschwatzen wollte.
    Â»Ich entschuldige mich nochmals«, versuchte ich mich mit der Blondine zu versöhnen. Es war nicht schwer. Zehn Minuten später, beim dritten Glas der grünen Flüssigkeit, tauschten wir schon unsere Erfahrungen aus, die wir beim abendlichen Dinner auf verschiedenen Restaurant-Booten gemacht hatten. Ich versprach ihr schließlich fest, daß ich wiederkommen würde, und zum Zeichen, daß ich das ernst meinte, gab ich ihr die Nummer von meinem Handy, unter der sie mich jederzeit erreichen konnte. Sie versprach mir, Nachricht zu geben, sobald Toby wieder zurück war.
    Futteral für das Instrument des Herrn! Ich lachte noch vor mich hin, als ich in meinen Toyota kletterte.
    Â»Komm zu Hung Tom«, forderte Bobby Hsiang mich über das Telefon auf, »laß uns in Ruhe was essen ...«
    Das hieß, er wollte mir etwas mitteilen. Wir hatten diese Art der Verständigung eingeführt, weil Hongkong ja keinesfalls abhörsicher war. So vereinbarten wir noch die Uhrzeit, und ich merkte, daß ich mich beeilen mußte, rechtzeitig nach Chung Wan zu kommen.
    Hung Toms kleine Kneipe, die Eingeweihten für ebenso gutes wie preiswertes Essen bekannt war, lag am Rande eines Viertels, das sich etwa zwischen der Jamia Moschee, einer Methodistenkirche und der Ohel Leah Synagoge ausdehnte. Trotzdem war das nicht so etwas wie ein religiöses Reservat, zumal die Leute in Hongkong ihre Religion, welche auch immer, nicht gerade übermäßig streng ausüben – jedenfalls ist das meine Erfahrung, und ich bin immerhin hier aufgewachsen.
    Wenn Hung Tom an der Rückseite seiner Kneipe Fenster gehabt hätte, hätte man bis zum Peak sehen können, wenngleich der Dunst über dem Zentrum stets ein wenig hinderlich für den freien Blick ist. Da er keine hatte, war es in dem Geheimtip-Restaurant, in dem kunstvoll nachgeschnitzte alte Palastlampen brannten, ziemlich düster, eben die Beleuchtung, die unsere Vorfahren in den Palästen bevorzugten, aber das milderte Hung Tom dadurch, daß er auf die besetzten Tische zusätzlich diese winzigen Öllämpchen stellte, die immer etwas blakten und ein angenehm warmes Licht verbreiteten, das einem das Gefühl gab, man sei in einem Dorf am Yangtse , noch zu Lebzeiten der verhutzelten Kaiserwitwe, und die Standard Oil hatte gerade die ersten Exemplare solcher Billiglämpchen verteilt, um den Chinesen die Erleuchtung zu bringen. Und natürlich das Öl an sie zu verkaufen, das sie für die blechernen Lichtspender brauchten, nachdem die erste Gratisfüllung ausgebrannt war. Immer wieder traf man Leute, die sagten, dies sei der erste Anstoß für geschäftsmäßiges Denken in China gewesen, aber das stimmt natürlich nicht, denn lange bevor die eingewanderten Europäer in Amerika die Indianer in die Reserve getrieben hatten, gab es in China schon Kaufleute, die andere Kaufleute betrogen. Und Käufer auch.
    Irgendeiner diese findigen Antiquitätenfälscher in Kowloon stellte die Dinger nun massenhaft her, vorwiegend für Touristen, die sie zu Hause als Attribute der Zivilisierung Chinas vorzeigten. Und Hung Tom war der Ansicht, die verbreiteten in seiner Kneipe die unverfälschte Atmosphäre des alten Reiches der Mitte. Womit er keinesfalls so

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