Schwarze Blumen: Thriller (German Edition)
Wasserfläche. Ein schimmernder Mond, so klein und entrückt wie der am Himmel über ihr. Sie richtete den Strahl ein wenig zur Seite und machte so etwas wie eine undefinierbare Masse aus. Sie konnte nicht sagen, was es war – es erinnerte an fauliges Treibgut, das die See an eine Kaimauer spült: schaumiger, von Splittern und Geäst durchsetzter, schmutziger Schlick.
Sie brach einen Stein heraus. Er schlug mit leisem Klicken ein paarmal an die Brunnenwand, bevor er mit einem Geräusch ins Wasser fiel, das Hannah an klimpernde Münzen erinnerte. Der Mond dort unten verschwamm, der Stein lag am Grund.
So.
Und jetzt?
Sie lehnte sich zurück. Vielleicht konnte sie etwas mit dem Eimer anfangen – ein Seil am Griff befestigen, ihn hinunterlassen und sehen, was sie, wenn überhaupt, herausschöpfen konnte. Zwar schien das nicht unbedingt die wirkungsvollste Methode zu sein, um überhaupt etwas zu erreichen, doch fiel ihr etwas Besseres ein? Den Strick oben festmachen, sich um die Taille binden und daran selbst hinunterklettern?
Egal, wessen Tochter du bist, das lässt du schön bleiben.
Sie zog die Möglichkeit nicht ernsthaft in Betracht, richtete aber dennoch die Taschenlampe Richtung Wald, um zu sehen, ob sie das Seil dort irgendwo verknoten konnte. Für einen Moment erfasste der Strahl den Mann, der neben ihr stand.
Ein Licht blitzte auf. Entsetzt stolperte Hannah nach hinten, der Strahl leuchtete im Zickzack die Beine des Mannes ab, dann verfing sie sich mit einem Unterschenkel im Gras und merkte, wie sie stürzte. Es geschah fast im Zeitlupentempo, und sie hatte keine Zeit, sich noch zu fangen. Mist. Sie landete auf dem Ellbogen. Das Gras federte sie ab, so dass sie sich nicht verletzte, doch beim Aufprall zuckte ihr Herz zusammen.
Schlagstock Schlagstock Schlagstock Schlagstock.
Mit unsicheren Fingern griff sie nach der Schnalle an ihrem Gürtel, während sie zugleich die Taschenlampe auf den Wald richtete und den Lichtstrahl zwischen den Bäumen hin und her schwenkte. Nichts.
Weg.
Sie verharrte reglos. Und horchte. Obwohl ihr der eigene rasende Herzschlag in den Ohren dröhnte, hörte sie es: ein fernes Knacken und Trampeln. Jemand, der schnell durch den Wald verschwand.
Was liegst du hier rum wie ein Vollidiot, DS Price!
Sie rappelte sich hoch. Mit einem Klick zog sie den Schlagstock auseinander. Und dann rannte sie los, während sie zwischen den Bäumen die Taschenlampe schwenkte, um einen Blick auf den Mann zu erhaschen. Sie sah Bäume, Unterholz, Schatten, die wie Fledermäuse zwischen den Ästen hingen und ihre Flügel auszubreiten schienen, sobald sich das Licht entfernte.
Sie blieb stehen und horchte.
Diesmal war überhaupt nichts zu hören.
Na schön.
Überleg dir, was du tust.
Sie sah sich rasch um, sondierte das Terrain, so gut sie konnte, und knipste die Taschenlampe aus. Auch wenn es plötzlich stockdunkel wurde, huschte Hannah schnell in eine Richtung davon. Nicht weit, aber immerhin weit genug, dass er, falls er ihren Lichtstrahl beobachtet hatte, nicht mehr wissen konnte, wo sie war. Dann ging sie in die Hocke, öffnete die Lippen ein wenig und horchte erneut.
Auch diesmal nichts.
Zumindest keine menschlichen Geräusche. Doch trotz ihres trommelnden Herzschlags wurden ihr die Geräusche des Waldes bewusst – das leise Zirpen und Summen; das Flüstern einer Brise in den Zweigen hoch über ihr.
Doch er war hier irgendwo. Das konnte gar nicht anders sein.
Und Hannah blieb, so reglos, wie es ihre Oberschenkelmuskeln erlaubten, hocken und versuchte, sich genau ins Gedächtnis zu rufen, was sie gesehen hatte. Es war viel zu kurz gewesen, und so erinnerte sie sich nur an eine schwarze Jeans, Stiefel und eine dunkle Jacke. Das war nicht jemand, der einfach nur im Freien übernachtete, nein, dieser Mann war aus einem ganz bestimmten Grund hier draußen. Vielleicht aus dem gleichen Grund wie sie. Er hatte die Taschenlampe gesehen und beobachtet, wie sie seitlich am Bauernhaus vorbeigelaufen war, und hatte sich einfach zwischen den vordersten Bäumen versteckt. Um sie zu beobachten. Oder auch …
Vielleicht war er aber auch umgekehrt aus dem Wald gekommen, um zu sehen, was an der Ruine los war.
Bei dem Gedanken zitterte Hannah und packte ihren Schlagstock fester. Die Frau, die mit Dawson zum Viadukt gefahren war, wurde immer noch vermisst. Konnte sie sicher sein, dass sie eben einen Mann gesehen hatte? Zu neunzig Prozent. Sie suchte den nachtschwarzen Wald nach der geringsten
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