Schwarze Diamanten (Bruno Bd 3)
Marillon war Apotheker und machte sich Hoffnungen darauf,
von der sozialistischen Partei bei den Bürgermeisterwahlen im Mai als Kandidat
aufgestellt zu werden. Er war ein fähiger Mann, allerdings ein bisschen
farblos, und dem amtierenden Bürgermeister, Brunos Vorgesetztem, bereits
zweimal unterlegen gewesen. Falls Marillon zurückkehrte und seine Sozialisten
eine Koalition mit Alphonse' Grüner Partei eingingen, würde es für Brunos
Bürgermeister womöglich knapp werden.
„Rechnest du damit, dass sie den jungen Pons zu ihrem gemeinsamen
Kandidaten machen?“, fragte Bruno.
„Ja, und ich glaube auch, er wird die Wahl gewinnen“, erwiderte der
Baron und reichte ein Blatt Papier über den Tisch. Bruno sah sich unerwartet
mit einem gedruckten Aufruf von Boniface Pons, dem Besitzer des stillgelegten
Sägewerks, konfrontiert, mit dem sich dieser als Kandidat für die nächste Bürgermeisterwahl
empfahl und eine Allianz für neue Arbeitsplätze versprach. „Er braucht nur
sechzig Unterschriften, um an der Wahl teilnehmen zu können, und die wird er
von seinen ehemaligen Angestellten und deren Familien auch bekommen.“
„Einwanderungsverbot, solange nicht alle französischen Arbeiter eine
Stelle haben“, las Bruno laut vor.
„So kriegt er auch die Stimmen der Front National und etliche der
Konservativen, die sonst den Bürgermeister wählen würden“, sagte der Baron.
„Wenn es den Roten und Grünen gelingt, einen passablen Kandidaten aufzustellen,
könnten sie gewinnen. Und ich glaube, der junge Mann, der uns diesen Champagner
spendiert hat, wäre durchaus geeignet.“
Besorgniserregend. Mit dem jungen Pons, der die rotgrüne Liste
anführte, und seinem Vater im Lager der Rechten würden sich die Stimmen
aufsplitten, der Bürgermeister könnte verlieren, und damit wäre Bruno seine
Stelle los.
Er reichte den Zettel zurück und sah hinüber zu dem Tisch, an dem gerade
Alphonse und Marillon ihre Gläser hoben und einander zuprosteten, als würden
sie einen Pakt besiegeln. Der Baron folgte Brunos Blick.
„Hätte jemand etwas dagegen, wenn wir, wie in chinesischen Restaurants
üblich, unsere Teller rundgehen ließen?“, fragte Pamela. Bruno widmete seine
Aufmerksamkeit wieder der Tischrunde.
„Gute Idee“, meinte Fabiola, als Bill sich ihrem Tisch näherte, um die
Bestellungen entgegenzunehmen.
„Sagen Sie mir bitte etwas zu dieser Peking-Perigord-Ente auf der
Karte“, bat der Baron.
„Sie ist wie eine Peking-Ente zubereitet und wird, wie man es kennt, mit
Pfannkuchen serviert, in denen Gurkenstreifen und Frühlingszwiebeln
eingewickelt sind“, erklärte Bill. „Anstelle der Hoisin-Sauce verwenden wir
allerdings eine Reduktion von vin de noix. Die Enten
stammen aus unserer Gegend, sind aber, wie in China üblich, luftgetrocknet.
Mein Koch Minxin brennt darauf, dieses Rezept in Hongkong auszuprobieren.“ Er
verteilte den restlichen Champagner auf die Gläser.
„Es freut mich, dass Sie Risotto gewählt haben. Mit unserer Zubereitung
versuchen wir, unsere Trüffeln so zu verwenden, wie es die Piemonteser mit
ihren weißen Trüffeln tun“, fuhr Pons fort. „Und wir haben einen biologischen
Sauvignon Blanc von einem kleinen Weinberg bei Thenac, der sehr gut mit dem
Risotto harmoniert und auch mit der Ente.“
Der Baron wählte die Ente und den Weißwein und verlangte wie immer eine
Karaffe Leitungswasser. Über die Preise, die Restaurants für Mineralwasser
forderten, regte er sich immer auf. Wer ihn kannte, war daran gewöhnt, und die
vier hatten oft genug miteinander gegessen und Tennis gespielt, um sich
miteinander wohlzufühlen. Nur wenn er und Bruno allein waren, zog er den Freund
mit dessen Beziehung zu Pamela auf, meinte aber, dass sie sehr viel besser zu
ihm passe als Isabelle, die attraktive Inspectrice aus Paris,
mit der Bruno im Sommer eine kurze, aber leidenschaftliche Affäre gehabt hatte.
Wenn du erst in mein Alter kommst, hatte der Baron gesagt, wirst du wissen,
dass es besser ist, zu einer Frau zu passen, als nur vernarrt in sie zu sein.
Über den Tisch hinweg bewunderte Bruno Pamelas ebenmäßiges Gesicht und
die lebendigen Augen und spürte unter dem Tisch den sanften Druck ihres Fußes
auf seinem. Er war sich bewusst, dass er mehr als nur ein bisschen vernarrt in
sie war, vielleicht, weil ihre Affäre erst vor ein paar Wochen begonnen und
weil Bruno sich noch nicht auf den Takt eingestellt hatte, den sie vorgab. Er
war immer schnell entflammt, wollte dann jede Nacht mit der
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