Schwarze Diamanten (Bruno Bd 3)
freien Blick auf den Turm der Burgruine, die
das Stadtzentrum beherrschte.
„Das ist unsere Zukunft, dieses Wachstum. Im Augenblick müssen wir
zweigleisig fahren, weil der Bürgermeister die renifleurs nicht
verärgern will“, sagte Didier. „Zum einen ist da der Markt, auf dem wir
Trüffeln aufkaufen und weiterverkaufen. Und dann wäre da noch der Kommissionshandel,
über den wir Waren im Auftrag der Züchter oder Sammler umschlagen. Wir zahlen
nur dann, wenn wir bezahlt worden sind, und erheben darüber hinaus eine kleine
Gebühr, wenn verlangt wird, dass wir für die Qualität garantieren.“
Bruno hatte bereits einen Blick in die Kassenbücher geworfen, die offen
vor ihm lagen. Im vergangenen Jahr waren Zertifikate für Trüffeln im Wert von
fast acht Millionen Euro ausgestellt worden. Die Gebühren für diese Zertifikate
beliefen sich auf eine Viertelmillion. Die Zahlen hatten ihn überrascht. Es
wurde mehr Geld umgesetzt als erwartet. Fünf Prozent des Umsatzes musste der
Markt an die Gemeindeverwaltung abführen.
„Der Gemeindeverwaltung kommt also ungefähr eine halbe Million zu“,
sagte Bruno.
„Ja, und ich bin stolz darauf, sagen zu können, dass ich die
profitabelste Abteilung der mairie führe“,
erwiderte Didier und lehnte sich selbstgefällig in seinem Sessel zurück. „Da
wir auf eigene Rechnung kaufen und verkaufen, müssen wir natürlich darauf
achten, immer genug Geld flüssig zu haben. Wir geben jede Menge davon aus, um
Trüffeln aufzukaufen, und es fließt erst dann zurück, wenn wir sie wieder
verkauft haben. Das ist ein Problem, sobald es zu einem Angebotsüberschuss
kommt wie im Januar. Wir müssen dann Geld von der Bank leihen und Zinsen dafür
bezahlen, was den Gewinn schmälert.“
„Die Gewinne sind aber doch recht ordentlich, wie mir scheint.“
„Ja, das sind sie, und darauf legt nicht zuletzt der Bürgermeister
Wert. Und was die Kontrollen angeht, finde ich, dass sie bei uns ziemlich gut
greifen. Umso mehr hat mich die Beschwerde überrascht.“
„Es war nicht nur eine“, korrigierte Bruno. „Die erste kam von einer
Pariser Hotelgruppe und die zweite von einer Brasserie am Montparnasse. Beide
besagen das Gleiche. Die einzelnen Trüffeln waren gut, aber die Qualität der Abschnitte
ließ einiges zu wünschen übrig.“
„Deren Qualität fällt doch immer geringer aus. Sie bringen das Aroma,
ohne dass man dafür den Preis eines ganzen Trüffels zahlen muss.“
„Aber aus der Beschwerde geht hervor, dass Ihre Abschnitte Anteile
minderwertiger Trüffeln aus China enthalten. Das konnte nachgewiesen werden.“
„Das wird behauptet, aber wer kann wissen, wann unserer Ware dieser
Mist untergeschoben wurde? Das kann während der Anlieferung passiert sein oder
vielleicht sogar in Paris. Wir haben in unseren Lagern nie auch nur eine Spur
von chinesischen Trüffeln gefunden. Ich glaube, da ist jemand, der unsere
Preise zu drücken versucht und austesten will, wie weit er damit gehen kann.“
„Unterstellen Sie einem Ihrer Kunden, dass er Sie über den Tisch zu ziehen
versucht?“, fragte Bruno. „Es gab früher schon Beschwerden, und ich würde das
nicht auf die leichte Schulter nehmen. Gibt es in Ihrem Arbeitsablauf
irgendeine Stelle, an der minderwertige Ware in eine Lieferung eingeschmuggelt
werden könnte, ohne dass Sie etwas davon mitbekommen?“
„Theoretisch schon und mit dem nötigen Geschick vielleicht. Ich kann's
mir aber kaum vorstellen. Wenn ein Korb die Markthalle verlässt, landet er
entweder im Testlabor oder in der Versandabteilung, und dort wird alles kontrolliert.“
„Was verstehen Sie unter Kontrolle?“
„Ein Korb, der akzeptiert wird, verlässt die Markthalle durch eine Luke
in der Wand und gelangt auf einen Tisch im hinteren Teil. Was geprüft werden
soll, kommt nach links und geht an Madame Pantowsky ins Labor. Importe bleiben
auf der rechten Seite für Jean-Luc und Alain, die die Ware für den
Weitertransport verpacken. Niemand außer uns kommt in diesen Raum hinein.“
„Theoretisch könnten in jedem Arbeitsschritt minderwertige Trüffeln von
irgendeinem Ihrer Mitarbeiter untergemischt werden.“
„Theoretisch ja, aber ich würde für alle unsere Mitarbeiter meine Hand
ins Feuer legen. Wollen Sie sie vernehmen?“
„Natürlich, später. Könnte es nicht sein, dass umso leichter betrogen
werden kann, je hektischer es hier zugeht?“
„Mag sein, aber selbst dann, wenn bei uns die Hölle los ist, kommt das
Publikum nicht einmal in
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