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Schwarze Dynastie

Schwarze Dynastie

Titel: Schwarze Dynastie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. M. Kornbluth
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Zeit für andere Dinge haben als unsere berufliche Karriere und unser Privatleben. Bitte, verstehen Sie mich nicht falsch, Mr. Freeman. Ich bin immer noch die Freundin Ihrer Tochter und werde es immer sein. Aber nichts in mir drängt mich mehr, diese Freundschaft zu beweisen. Sie war ein schöner Traum. Jetzt bin ich allerdings zur Erkenntnis gelangt, daß ich ganz gut auch ohne Miß Freeman leben kann. Und da es nun schon ziemlich spät ist ...«
    Er lächelte verlegen und stand auf. »Darf ich Ihnen dann sehr viel Glück wünschen, Professor Speiser?« fragte er und streckte die Hand aus.
    Sie lachte erleichtert. »Ich fürchtete schon, Sie ...«
    Ihr Gesicht wurde schlaff, und sie schwankte wie eine Betrunkene, als die Nadel vom Ring in ihre Haut stach.
    Das Gesicht des Commanders war ebenso leblos wie das ihre; er löste seine Hand aus der ihren und versorgte vorsichtig die Nadel. Dann zog er eine seiner Pistolen, schoß sie durchs Herz und verließ die Wohnung.
    Alte Närrin! Sie hätte es wirklich besser wissen sollen ...
     
    Max Wyman taumelte durch die Wirrnis von Riveredge. Sein Kopf glich einem Topf geschmolzenen Bleis, und seine Beine drohten unter ihm nachzugeben, als er vor seiner Schande floh.
    Dann bemerkte er, als habe er neue Augen, daß er nicht allein war. Riveredge war nicht bewohnt. Welche Stimmen waren es, die ihm zuriefen, er solle ein wenig warten?
    Er torkelte weiter, und die Stimmen wurden lauter und kühner. Rampen und Förderbänder schnitten Segmente aus dem Raum. Lagertanks verschmolzen mit dem Gewirr von Leitungen und schufen einen vor Blicken ziemlich geschützten Fleck. Und da lehnte er nun an einem riesigen Träger, an dem eine Frachthochstraße aufgehängt war. Am Fuß des Trägers lehnte eine Platte Wellblech, die sich plötzlich bewegte und umfiel.
    »Mein Sohn, du siehst ziemlich verzweifelt aus«, sagte die Stimme eines alten Mannes. »Komm herein.«
    Wyman torkelte noch ein paar Schritte weiter und fiel auf einen Haufen Lumpen, als jemand sorgfältig das Wellblech wieder aufhob und so wie früher an den Träger lehnte.

 
6.
     
    Max Wyman wurde, als er aufwachte, von delirischem Entsetzen geschüttelt. Jemand reichte ihm eine Schokoladenrippe, süße Limonade, Zuckerstücke; jemand war auch da, der ihn immer wieder auf die Lumpen zurückschob, wenn er sich auf der Suche nach Trinkbarem herausgewühlt hatte. Am zweiten Tag wurde ihm klar, daß dieser Jemand ein alter Mann war, dessen Gesicht grau und unbeweglich aussah. Sein Name sei T. G. Pendelton, sagte er.
    Eine Woche später ließ er Max Wyman – aber nur bei Tag – kleine Spaziergänge in der allernächsten Umgebung machen. »Hier gibt es ziemlich wilde Leute«, sagte er. »Die würden dich auch schon für einen halben Liter Schnaps ermorden. Die Frauen sind am schlimmsten. Ruft dich eine an, dann geh nicht zu ihr. Das würde nämlich damit enden, daß sie dich durch ein Mannloch in den Hudson werfen. Armes Volk.«
    »Die tun dir auch noch leid?« fragte Wyman verwundert. Das war für ihn eine ganz neue Idee. Seit Buffalo hatte ihm kein Mensch mehr leid getan. Dort war etwas Entsetzliches geschehen, ein sehr schlimmer Verrat ... Er strich sich mit einer knochigen Hand über die Stirn. Darüber wollte er nicht nachdenken.
    »Ich würde ja sonst nicht hier leben«, antwortete T. G. »Manchmal kann ich ihnen helfen, denn sonst hilft ihnen ja auch keiner. Sie sind alt, krank und passen nirgends hinein. Deshalb sind sie ja auch so böse. Du bist jung, der einzige junge Mann, den ich je in Riveredge gesehen habe. Für euch Junge gibt es draußen doch soviel, aber wenn man alt wird, kippt man oft ganz einfach ab.«
    »Dieses gottverdammte Syndikat«, knurrte Wyman voll Haß.
    T. G. zuckte die Achseln. »Vielleicht ist es auch für alte und kranke Leute zu einfach, an Alkohol zu kommen. Da verliert einer einen Menschen, mit dem er ein Leben verbracht hat, und das wirft ihn dann um. Allmählich verhärten sich die Menschen ja auch. Früher machte ihnen das Leben Spaß, sie hatten ihr Vergnügen, und sie glaubten, so müsse es ewig weitergehen. Verändert sich dann plötzlich etwas, kippen sie aus ihrer Form, und viele von ihnen werden damit nicht fertig. Bei dir hat das sehr früh eingesetzt. Was war der Auslöser?«
    Wyman fiel in sich zusammen, als habe ihm jemand einen Schlag in die Magengrube versetzt. Eine Welle unerträglicher Erinnerungen überschwemmte ihn. Eine schrille Klingel, ein tickender Pendel, ein aufblitzendes

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