Schwarze Engel
tun dürfen.«
Bosch schwieg einen Moment. Er wußte nicht, ob er wütend auf sie sein sollte, daß sie ihm nicht genau sagte, was sie wußte, oder einfach froh, daß sie ihm den Hinweis gegeben und die Richtung gezeigt hatte.
»Also schön«, sagte er schließlich. »Wenn es hier ist, finde ich es auch.«
35
B osch brauchte fast zwei Stunden, um sich durch die Akten des Black-Warrior-Falls zu arbeiten. Viele der Ordner waren bereits geöffnet worden, aber die meisten waren von Edgar und Rider durchgesehen worden oder von anderen Angehörigen des Teams, das vor weniger als zweiundsiebzig Stunden unten bei Angels Flight zusammengestellt worden war. Er sah sich jede Akte an, als hätte er sie nie zuvor gesehen, und suchte, was er übersehen hatte – das vielsagende Detail, den Bumerang, der seine Sicht der Dinge ändern und in eine neue Richtung lenken würde.
Das war das Problem, wenn man einen Fall mit anderen bearbeitete – wenn man mehrere Ermittlerteams darauf ansetzte. Kein einzelnes Augenpaar sah das gesamte Beweismaterial, alle Anhaltspunkte oder auch nur den ganzen Papierkram. Alles war aufgeteilt. Obwohl auf dem Papier ein Detective für den Fall zuständig war, kam es selten vor, daß alles seinen Radarschirm kreuzte. Jetzt mußte Bosch sehen, daß das anders wurde.
Er fand, wonach er zu suchen glaubte – und worauf Carla Entrenkin angespielt hatte –, im Ordner mit den Vorladungen, in dem auch die Belege des Zustellungsbeamten abgeheftet waren. Diese Belege waren an Howard Elias’ Kanzlei weitergeleitet worden, sobald der vorgeladenen Person die richterliche Aufforderung, eine beeidete Aussage abzugeben oder vor Gericht als Zeuge zu erscheinen, zugestellt worden war. Der dicke Ordner war voll mit dünnen weißen Formularen. Sie waren chronologisch, in der Reihenfolge ihrer Zustellung, abgeheftet. Die erste Hälfte bestand aus gerichtlichen Vorladungen für beeidete Zeugenaussagen, die mehrere Monate zurückreichten. Die zweite Hälfte setzte sich aus Aufforderungen zusammen, bei dem Prozeß, der für diesen Tag angesetzt war, als Zeuge auszusagen. Dabei handelte es sich um Vorladungen für die verklagten Polizisten und für andere Zeugen.
Bosch erinnerte sich, daß Edgar diesen Ordner bereits durchgesehen hatte – er war darin auf die Durchsuchungsanordnung für die Herausgabe der Waschanlagenbelege gestoßen. Allerdings mußte ihn diese Entdeckung von anderen Dingen in dem Ordner abgelenkt haben. Bei der Durchsicht der Vorladungen stach Bosch ein weiteres interessantes Dokument in die Augen. Es war eine gerichtliche Vorladung für Detective John Chastain. Das überraschte Bosch, weil der IAD-Mann nie etwas von seiner Beteiligung an dem Prozeß erwähnt hatte. Chastain hatte das polizeiinterne Ermittlungsverfahren geleitet, das auf Michael Harris’ Anschuldigungen hin durchgeführt worden war und bei dem die RHD-Detectives von allen Vorwürfen freigesprochen worden waren. Daher war nichts Ungewöhnliches daran, daß er eine Vorladung erhalten hatte, vor Gericht zu erscheinen. Vermutlich sollte er als Zeuge aussagen, um die von Michael Harris beschuldigten Polizisten zu entlasten. Ungewöhnlich war allerdings, daß Chastain niemandem erzählt hatte, daß er eine Vorladung erhalten hatte, bei dem Prozeß als Zeuge für den Kläger aufzutreten. Wäre das bekannt geworden, wäre er möglicherweise aus den gleichen Gründen, aus denen den RHD-Bullen der Fall entzogen worden war, nicht mehr für das Team in Frage gekommen, die mit der Aufklärung der Morde beauftragt worden war. Da bestand eindeutig ein Interessenkonflikt. Die Vorladung bedurfte einer Erklärung. Und noch mehr begann sich Bosch für die Sache zu interessieren, als er feststellte, daß Chastain die Vorladung am Donnerstag zugestellt worden war, einen Tag vor Elias’ Ermordung. Seine Neugier schlug endgültig in Argwohn um, als er den handschriftlichen Vermerk sah, den der Zustellungsbeamte unten auf die Vorladung geschrieben hatte.
Annahme von Det. Chastain am Fahrzeug verweigert. Vorladung unter Scheibenwischer geklemmt.
Aus dem Vermerk ging unmißverständlich hervor, daß Chastain nichts mit der Sache zu tun hatte haben wollen. Und dieser Umstand bündelte Boschs Aufmerksamkeit so stark, daß er in diesem Moment wahrscheinlich nicht einmal dann auf den Fernseher geachtet hätte, wenn die Stadt vom Strand bis zum Dodger Stadium in Flammen aufgegangen wäre.
Ein Blick auf die Vorladung verriet ihm, daß der Vorgeladene
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