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Schwarze Engel

Schwarze Engel

Titel: Schwarze Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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er sich die Zeit genommen, in der Los Angeles Conservancy seine Geschichte nachzulesen, und war dabei auf eins der spannendsten Kapitel der Stadtgeschichte von Los Angeles gestoßen: Trotz seiner zeitlosen Schönheit war das Bradbury von einem einfachen Bauzeichner entworfen worden. Als George Wyman 1892 die Pläne für das Gebäude zeichnete, hatte er weder eine Ausbildung als Architekt noch Erfahrung im Entwerfen von Gebäuden, und doch resultierte sein Entwurf in einem Bau, der über ein Jahrhundert Bestand haben und Generationen von Architekten in Staunen versetzen sollte. Noch unerklärlicher machte das Ganze der Umstand, daß Wyman danach weder in Los Angeles noch sonstwo jemals wieder ein Gebäude von irgendeiner Bedeutung entworfen hatte.
    Das war die Sorte von Mysterium, die Bosch liebte. Die Vorstellung, daß sich jemand mit der einzigen Chance, die er erhielt, ein Denkmal setzte, übte einen starken Reiz auf ihn aus. Obwohl ihn ein ganzes Jahrhundert von George Wyman trennte, identifizierte sich Bosch sehr stark mit dem Mann. Er glaubte an die eine Chance. Er wußte nicht, ob er die seine schon erhalten hatte – das war etwas, worüber man sich erst klar wurde, wenn man als alter Mann auf sein Leben zurückblickte. Aber er hatte das Gefühl, daß irgendwo da draußen noch eine Chance auf ihn wartete. Er mußte sie nur ergreifen.
     
    Infolge der Einbahnstraßen und Ampeln, die Dellacroce und Rider aufhielten, kamen Bosch und Chastain zu Fuß vor ihnen im Bradbury an. Als sie auf die massiven gläsernen Eingangstüren zugingen, stieg Janis Langwiser aus einem kleinen roten Sportwagen, der im Halteverbot am Straßenrand stand. Sie hatte einen Lederbeutel von der Schulter hängen und hielt in der Hand einen Styroporbecher, aus dem das Etikett eines Teebeutels hing.
    »Hey, hatten wir nicht eine Stunde gesagt«, schimpfte sie im Spaß.
    Bosch sah auf die Uhr. Seit sie telefoniert hatten, waren eine Stunde und zehn Minuten vergangen.
    »Sie sind doch Anwältin«, entgegnete er lächelnd. »Am besten, Sie verklagen mich gleich.«
    Er machte sie mit Chastain bekannt und weihte sie ausführlicher in den Stand der Ermittlungen ein. Bis er fertig war, hatten Rider und Dellacroce ihre Autos vor Langwisers Sportwagen abgestellt. Bosch probierte die Türen des Bradbury, aber sie waren abgeschlossen. Er holte den Schlüsselbund heraus und fand beim zweiten Versuch den richtigen Schlüssel. Sie betraten das Atrium des Gebäudes, und unwillkürlich blickte jeder von ihnen nach oben, so stark war der Zauber dieses Orts. Das Oberlicht über ihnen war von den Grau- und Lilatönen der Morgendämmerung überzogen. Aus verborgenen Lautsprechern kam klassische Musik. Etwas Eingängiges und Trauriges, aber Bosch wußte nicht, was es war.
    »Barbers ›Adagio‹«, sagte Langwiser.
    »Was?« sagte Bosch, der immer noch nach oben sah.
    »Die Musik.«
    »Ach so.«
    Ein Polizeihubschrauber, unterwegs zum Schichtwechsel im Piper Tech, flitzte über das Oberlicht. Das brach den Bann, und Bosch senkte den Blick. Ein uniformierter Sicherheitsbeamter kam auf sie zu. Es war ein junger Schwarzer mit kurzgeschnittenem Haar und auffallend grünen Augen.
    »Kann ich Ihnen helfen? Das Gebäude ist im Moment noch geschlossen.«
    »Polizei.« Bosch zog sein Ausweisetui heraus und klappte es auf. »Wir haben einen Durchsuchungsbefehl für Büro fünf-null-fünf.«
    Er nickte Dellacroce zu, der darauf den Durchsuchungsbefehl noch einmal aus seiner Jackentasche holte und ihn dem Sicherheitsbeamten reichte.
    »Das ist Mr. Elias’ Kanzlei«, sagte der Sicherheitsbeamte.
    »Wissen wir«, sagte Dellacroce.
    »Was ist los?« fragte der Mann. »Warum müssen Sie die Kanzlei durchsuchen?«
    »Das können wir Ihnen im Moment noch nicht sagen«, erklärte Bosch. »Aber wir haben ein paar Fragen an Sie. Wann beginnt Ihre Schicht? Waren Sie hier, als Mr. Elias gestern abend das Gebäude verlassen hat?«
    »Ja, da war ich hier. Mein Dienst geht von sechs bis sechs. Ich habe sie gestern abend gegen elf weggehen sehen.«
    »Sie?«
    »Ja, ihn und zwei andere Männer. Gleich nachdem sie raus sind, habe ich die Tür abgeschlossen. Danach war niemand mehr im Gebäude – außer mir.«
    »Wissen Sie, wer die anderen Männer waren?«
    »Einer war Mr. Elias’ Assistent oder wie man das nennt.«
    »Sekretär? Helfer?«
    »Ja, Helfer. Das trifft es am ehesten. So ein junger Student, der ihm in der Kanzlei hilft.«
    »Wissen Sie, wie er heißt?«
    »Nein, nach seinem

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