Schwarze Engel
auszusetzen. Der Richter fand ihn völlig in Ordnung.«
Langwiser sah auf den Durchsuchungsbefehl in ihrer Hand hinab und schwenkte ihn hin und her, wobei seine Blätter flatterten wie eine fallende Taube.
»Ich denke nur, bei einem Fall wie diesem sollten wir uns über unser Vorgehen sehr genau im klaren sein, bevor wir da reinmarschieren und anfangen, uns irgendwelche Akten anzusehen.«
»Wir müssen uns die Akten ansehen«, wandte Bosch ein. »In ihnen werden wir die meisten Verdächtigen finden.«
»Das ist mir klar. Bloß handelt es sich hier um vertrauliche Unterlagen für Prozesse gegen die Polizei. Sie enthalten Informationen, die unter das Anwaltsgeheimnis fallen. Verstehen Sie denn nicht? Wenn Sie auch nur in eine dieser Akten sehen, könnte man geltend machen, Sie verletzen die Rechte von Elias’ Mandanten.«
»Wir wollen doch nur seinen Mörder finden. Seine anhängigen Verfahren interessieren uns nicht. Ich hoffe sehr, daß der Name des Mörders nicht in diesen Unterlagen steht und daß es kein Cop ist. Aber was ist, wenn es so ist oder wenn Elias in seinen Akten Kopien oder Notizen über Drohungen aufbewahrt hat? Was ist, wenn er im Zuge seiner eigenen Nachforschungen etwas über jemanden herausgefunden hat, das ein Motiv für seine Ermordung sein könnte? Sie verstehen also, daß wir uns die Akten ansehen müssen.«
»Das verstehe ich durchaus. Aber wenn später ein Richter die Durchsuchung für unzulässig erklärt, können Sie vor Gericht nichts von dem verwenden, was Sie in der Kanzlei finden. Möchten Sie dieses Risiko eingehen?«
Sie wandte sich von ihnen ab und blickte zur Tür.
»Gibt es hier irgendwo ein Telefon? Ich muß deswegen mal telefonieren. Jedenfalls kann ich Sie noch nicht in die Kanzlei lassen. Nicht guten Gewissens.«
Verärgert stieß Bosch den Atem aus. Insgeheim machte er sich Vorhaltungen, zu früh einen Anwalt verständigt zu haben. Er hätte einfach tun sollen, was er für richtig hielt, und sich um die Konsequenzen später kümmern.
»Hier.«
Er öffnete seinen Aktenkoffer und gab ihr sein Handy. Er hörte, wie sie bei der Bezirksstaatsanwaltschaft anrief und sich mit einem Ankläger namens David Sheiman verbinden ließ, der, wie Bosch wußte, die Abteilung Schwerverbrechen leitete. Sobald sie Sheiman am Apparat hatte, begann sie ihm die Situation zu schildern. Bosch hörte weiter zu, um sicherzugehen, daß die Details stimmten.
»Was sollen wir hier noch länger rumstehen, Harry?« flüsterte Rider ihm zu. »Ist doch reine Zeitverschwendung. Sollen Edgar und ich uns schon mal Harris vorknöpfen und wegen gestern abend ausquetschen?«
Fast hätte Bosch zustimmend genickt, doch dann wurde er sich der möglichen Konsequenzen bewußt.
Michael Harris wollte fünfzehn Angehörige der Robbery-Homicide Division verklagen, und der Prozeß, der in der Öffentlichkeit bereits hohe Wellen geschlagen hatte, sollte am Montag beginnen. Harris, ein wegen Einbruchs und Körperverletzung vorbestrafter Angestellter einer Autowäscherei, verlangte zehn Millionen Schadenersatz, weil ihm Angehörige der RHD in Zusammenhang mit der Entführung und Ermordung eines zwölfjährigen Mädchens aus einer prominenten und wohlhabenden Familie angeblich belastendes Beweismaterial untergeschoben hatten. Außerdem behauptete Harris, die Detectives hätten ihn entführt und über einen Zeitraum von drei Tagen hinweg festgehalten und gefoltert, um ihm ein Geständnis zu entlocken und den Aufenthaltsort des vermißten Mädchens herauszufinden. In der Anklageschrift wurde behauptet, aus Frustration über Harris’ Weigerung, seine Beteiligung an dem Verbrechen zuzugeben und sie zu dem vermißten Mädchen zu führen, hätten ihm die Detectives eine Plastiktüte über den Kopf gestülpt und ihm damit gedroht, ihn zu ersticken. Des weiteren behauptete er, ein Detective habe ihm einen spitzen Gegenstand – einen Black-Warrior-Bleistift Number 2 – ins Ohr gestoßen und das Trommelfell durchlöchert. Harris hatte jedoch nichts zugegeben, und am vierten Tag des Verhörs wurde auf einem unbebauten Grundstück nur einen Block von seiner Wohnung die bereits stark verweste Leiche des Mädchens gefunden. Sie war sexuell mißhandelt und stranguliert worden.
Der Mord war eine weitere Greueltat in einer langen Reihe von Verbrechen, die in der Öffentlichkeit für Aufsehen sorgten. Das Opfer war ein hübsches blondes, blauäugiges Mädchen namens Stacey Kincaid, das unter bisher ungeklärten Umständen nachts
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