Schwarze Engel
bekommt.«
»Auch darum werde ich mich kümmern.«
Bosch nickte.
»Also dann, vielen Dank für Ihre Hilfe heute nacht. War wirklich nett von Ihnen.«
»Heute nacht? Mann, ist doch schon Morgen.«
Peete lächelte.
»Stimmt eigentlich. Dann also einen schönen guten Morgen, Mr. Peete.«
»Tja, aber für die zwei, die mit der Bahn gefahren sind, kommen Ihre Wünsche etwas zu spät.«
Bosch wandte sich zum Gehen und kehrte noch einmal zu dem Mann zurück.
»Noch ein letztes. In der Presse wird die ganze Geschichte sicher ziemlich breitgetreten. Und im Fernsehen auch. Ich will Ihnen zwar keine Vorschriften machen, was Sie zu tun haben, aber vielleicht sollten Sie sich schon mal überlegen, ob Sie zu Hause nicht lieber den Hörer von der Gabel nehmen, Mr. Peete. Und vielleicht auch nicht an die Tür gehen.«
»Hab schon verstanden.«
»Gut.«
»Außerdem werde ich sowieso den ganzen Tag schlafen.«
Bosch nickte ihm ein letztes Mal zu und stieg in den Wagen. Chastain saß bereits auf einer der Bänke in der Nähe der Tür. Bosch ging an ihm vorbei und stieg wieder zu der Stelle hinunter, wo Howard Elias’ Leiche auf dem Boden gelegen hatte. Er achtete darauf, nicht in die Pfütze aus getrocknetem Blut zu treten.
Sobald er Platz genommen hatte, setzte sich der Wagen in Bewegung. Bosch blickte aus dem Fenster und sah, daß die Silhouetten der Bürohochhäuser im Osten bereits das graue Licht der Morgendämmerung umgab. Als er sich gähnend zurücksinken ließ, machte er sich nicht die Mühe, die Hand vor den Mund zu halten. Am liebsten hätte er sich hingelegt. Die Bank war hart, aus abgenutztem Holz, aber er war sicher, daß er bald einschlafen und von Eleanor und von glücklichen Zeiten träumen würde – und von Orten, wo man nicht über Blutlachen steigen mußte.
Er tat den Gedanken jedoch wieder ab und wollte bereits die Hand in die Tasche seines Jacketts gleiten lassen, als ihm einfiel, daß er dort keine Zigaretten finden würde.
10
D as Bradbury war das angestaubte Juwel der Downtown. Vor mehr als einem Jahrhundert erbaut, war seine Schönheit zwar betagt, aber dennoch strahlender und dauerhafter als die der Glas- und Marmorhochhäuser, die es mittlerweile so winzig erscheinen ließen wie ein schönes Kind, das von einer Phalanx grimmiger Wachen umzingelt wurde. Seine kunstvollen Konturen und gefliesten Fassaden hatten sowohl der Treulosigkeit der Menschen wie der Natur getrotzt. Es hatte Erdbeben und Unruhen überlebt, Phasen der Vernachlässigung und des Verfalls und eine Stadt, der oft nichts an der Erhaltung des Wenigen lag, was sie an Kultur und Geschichte hatte. Nach Boschs Ansicht gab es in Los Angeles kein schöneres Bauwerk – ungeachtet dessen, aus welchen Gründen er im Lauf der Jahre drinnen gewesen war.
Abgesehen davon, daß sich dort die Kanzleien von Howard Elias und einer Reihe anderer Anwälte befanden, beherbergte das Bradbury in seinen fünf Etagen auch verschiedene staatliche und städtische Behörden. Im dritten Stock waren drei große Büros an die Internal Affairs Division vermietet, die Dienstaufsichtsbehörde des LAPD. Sie wurden für die Rechtsausschuß-Hearings benutzt – die Disziplinarverfahren, in denen sich Polizisten, die einer Verletzung ihrer Dienstpflicht beschuldigt wurden, rechtfertigen mußten. Die IAD hatte die Gewerbeflächen angemietet, weil die in den 90er Jahren drastisch ansteigende Flut von Klagen gegen Polizisten zu immer mehr Disziplinarverfahren und Rechtsausschuß-Hearings geführt hatte. Inzwischen fand jeden Tag ein Hearing statt, manchmal sogar zwei oder drei gleichzeitig. Für so viele Disziplinarverfahren war im Parker Center nicht genügend Platz. Deshalb hatte die IAD die Räumlichkeiten im nahegelegenen Bradbury bezogen.
Für Bosch war die IAD der einzige Schönheitsfehler des Baus. Zweimal hatte er sich im Bradbury schon bei einem Rechtsausschuß-Hearing verantworten müssen. Jedesmal hatte er seine Aussage zu Protokoll gegeben, sich angehört, was Zeugen und ein IAD-Ermittler – einmal war es Chastain gewesen – über die Fakten und Erkenntnisse des Falls zu sagen hatten, und war dann unter dem riesigen Oberlicht des Atriums auf und ab gegangen, während die drei Captains über sein Schicksal entschieden hatten. Er war aus beiden Hearings unbeschadet hervorgegangen und hatte dabei das Bradbury mit seinen mexikanischen Fliesenböden, seinen verschnörkelten Treppengeländern und den hängenden Postrutschen lieben gelernt. Einmal hatte
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