Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarze Fluten - Roman

Schwarze Fluten - Roman

Titel: Schwarze Fluten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
Vom Netzwerk:
mir geraten hatte. Aber Annamaria weigerte sich wegen ihrer geheimnisvollen Mission, abzureisen, und ich konnte sie nicht einfach verlassen und dem ausliefern, was sich hier verbarg.

10
    Begleitet von summenden Hummeln, von hin- und herflitzenden, komplexe Lieder trillernden Zaunkönigen, von bunten, nicht zur Jahreszeit passenden Schmetterlingen und eine Weile auch von zwei herumtollenden Eichhörnchen, kam ich mir vor wie in einem Disneyfilm. Ich hätte mich nicht gewundert, wenn die Eichhörnchen mit mir geplaudert hätten, während ich vom Pförtnerhaus in südlicher Richtung an der Mauer entlangging. Dabei hielt ich mich ein gutes Stück von ihr entfernt.
    Die tierische Begleitung tröstete mich nicht. In manchen Filmen von Walt Disney stoßen guten Tieren schlimme Dinge zu. Man denke nur an Bambis Mutter und an den Hund Jello. Bambis Mutter wird vor den Augen ihres Kindes niedergeschossen, Jello wird mit vor Tollwut schäumendem Maul von dem Jungen getötet, der ihn liebt. Den menschlichen Figuren ergeht es nicht immer besser. Selbst die liebreizendsten Prinzessinnen werden von Hexen vergiftet. Offenbar hatte der gute alte Walt einen Hauch Quentin Tarantino in sich.
    Henry Lolam hatte gesagt, er hasse Roseland, sei aber dennoch zurückgekehrt, weil das Zentrum durch die Mauer womöglich standhalten würde. Was der irische Dichter William Butler Yeats mit dieser Metapher gemeint hatte, wusste ich, aber was der Wachmann meinte, wusste ich nicht.
    Das hohe, breite Bauwerk sah wie eine Befestigung aus, aber die chinesische Mauer war es trotzdem nicht. Es hätte weder mongolische Horden noch ähnliche Erscheinungen aufgehalten. Wer mutig war, konnte leicht darüberklettern, um das Anwesen zu betreten oder es zu verlassen.
    Selbst in den frühen 1920er Jahren musste ein derart massives Bauvorhaben kostspielig gewesen sein. Damals war die Einkommenssteuer zwar neu und niedrig gewesen, und Constantine Cloyce hatte unglaublich viel Geld besessen. Wenn es ihm jedoch ausschließlich darum gegangen wäre, seine zwanzig Hektar zu markieren, dann hätte es völlig ausgereicht, zu einem Bruchteil der Kosten eine Mauer zu bauen, die nur zwei Drittel so hoch und halb so breit gewesen wäre.
    Bisher hatte ich auf diesen Schutzwall keinerlei Gedanken verschwendet, doch das Gespräch mit Henry hatte meine Neugier geweckt.
    Obwohl ich an der Mauer entlangging, ließ ich mir nicht anmerken, dass sie es war, was mich interessierte. Beobachtet fühlte ich mich in Roseland immer, jetzt aber mehr als gewöhnlich. Bestimmt behielt mich Henry vom Pförtnerhaus her im Blick. Bisher war er mir scheinbar wohlgesonnen gewesen, und vielleicht war er das noch immer. Allerdings hatte sich sein Verhalten verändert, als ich den Muskelmann mit den Narben erwähnt hatte.
    Nach etwa hundert Metern gingen der makellose Rasen und die Blumenbeete in wildes Gras über, und wiederum zweihundert Meter weiter wanderte ich einen leichten Abhang hinauf und dann durch eine Gruppe Kalifornischer Lebenseichen, die zwanzig bis dreißig Meter hoch waren. Die Tierwelt war hier nicht mehr so üppig wie vorher. Nur ein paar Kleiber pfiffen von den majestätischen Ästen der Bäume mit ihren schwarzen Stämmen.
    Da man mich jetzt weder vom Pförtnerhaus noch vom Haupthaus aus sehen konnte, ging ich direkt zur Mauer. Die Steine, mit denen sie verkleidet war, boten guten Halt, sodass ich rasch nach oben klettern konnte.
    Als ich so auf Händen und Knien auf der Mauerkrone hockte, entdeckte ich, was eigentlich zu erwarten gewesen war. In die Fugen zwischen den dunklen Steinen waren in gewundenen Linien helle Kupfermünzen eingesetzt. Auf jeder war die leicht langgestreckte Acht eingraviert, die ich im Stall und anderswo gesehen hatte.
    Die Mauerkrone war mit einem Geflecht aus Sonnenschein und dem Schatten der Eichenäste überzogen. Der Stein unter meinen Handflächen aber war kühl, und ich spürte eine feine Vibration, als wäre in der massiven Struktur irgendeine Maschinerie verborgen gewesen.
    Ich beugte mich vor, um mein linkes Ohr an den Stein zu legen, hörte jedoch nicht den geringsten Laut.
    Hätten die raschen, kurzen Oszillationen ein Geräusch verursacht, dann wäre das kein schweres Pochen oder Dröhnen gewesen, sondern ein hohes Summen oder Pfeifen.
    Je länger ich über diese Vibrationen nachdachte, desto weniger kamen sie mir allerdings wie das Produkt einer Maschinerie vor. Ich hatte eher den Eindruck, dass sie elektronischen Ursprungs waren.
    Ich

Weitere Kostenlose Bücher