Schwarze Jagd - Wooding, C: Schwarze Jagd - Black Lung Captain (Book 2)
gedacht, dass der Käpt’n sie hasste. Pinn hatte gedacht, sie wären Feinde. Wozu sie dann mitnehmen?
Pinn wusste nur eins: Trinica hatte sie ausgeraubt. Zweimal!
Und dadurch, dass sie dieses Miststück an Bord hatten, wurde es jedem immer wieder unter die Nase gerieben. Ohne sie wäre er reich gewesen. Vielleicht wäre er dann zu Lisinda zurückgekehrt. Vielleicht hätte sie ihm dann keinen Brief geschickt, in dem stand, dass sie einen anderen heiraten würde.
Er starrte die Ferrotypie in seiner Hand an. Diese Augen, die ihn einst so bewundernd angesehen hatten. Jetzt schauten sie vielleicht einen anderen so an. Bei diesem Gedanken knirschte er mit den Backenzähnen.
Seit er diesen Brief bekommen hatte, war jeder Tag von qualvoller Unschlüssigkeit erfüllt gewesen. Sollte er zu ihr zurückkehren, um sie seinem Rivalen zu entreißen? Oder war es genau das, was dieser wollte? Er musste etwas unternehmen, um die Hochzeit zu verhindern, aber er konnte jetzt noch nicht zurückkehren, ärmer als bei seiner Abreise. Und was, wenn es schon zu spät war? Eine kalte, männliche Gleichgültigkeit war sicherlich besser, als heimzufliegen und den Schimmer des Triumphs in den Augen seines Rivalen zu sehen.
Seit einem Monat war er nun wie gelähmt. Doch mit jedem Tag, der verstrich, wurde die Sache ein wenig dringender. Er musste etwas tun. Er wusste nur nicht, was.
Malvery drehte ganz langsam den Kopf, als wäre er unter Wasser. Er sah, wie Pinn die Ferrotypie anstarrte, und schnaubte.
»Vergiss sie, Kumpel«, sagte er undeutlich. »Sie isses nich wert.«
»Halt die Fresse, Doc. Du kennst sie nicht.«
»Komm schon«, sagte Malvery. »Sei ehrlich. Du wärst sowieso nie zu ihr zurück. Auch wenn sie nicht geheiratet hätte.«
»Und ob!«, blaffte Pinn. »Wenn ich …«
»Wenn du reich wärst, ja, ja.« Das idiotische Grinsen der Volltrunkenen breitete sich auf seinem Gesicht aus. »Aber du wirst nie reich sein, Pinn. Un’ ich auch nich. Keiner von uns.« Er zielte mit einem Finger auf Pinn und visierte ihn mit zusammengekniffenen Augen darüber hinweg an wie über den Lauf einer Schusswaffe. »Das weißtu, stimm’s?«
»Ich«, verkündete Pinn entrüstet, »liebe sie.«
»Du«, erwiderte Malvery, »hast sie verlassen.«
Pinn wusste nicht so recht, worauf der Doc hinaus wollte. Er trank seinen Becher Grog leer und schenkte sich nach.
»Sieh mal, Kumpel.« Malvery klopfte ihm schwer auf die Schulter. »Du kannst nicht ewig Trübsal blasen. Sie’s weg. Gibt ja noch massenhaft annere Fischchen im Meer.«
Pinn schaute in Lisindas Augen. »Ich will keine Fische«, sagte er plötzlich verzweifelt.
Das laute Scharren eines Stuhls, der über den Boden gezogen wurde, schreckte ihn auf. Er blickte hoch und sah, wie Frey und Trinica an ihrem Tisch Platz nahmen. Für Trinica hatte er nur eine angewiderte Grimasse übrig, bevor er seine Aufmerksamkeit dem Käpt’n zuwandte.
»Wir brechen auf«, verkündete Frey. Er wirkte aufgeregt.
»Jetzt?« Malvery stöhnte.
Frey zeigte mit dem Daumen auf Pinn. »Sobald er fliegen kann.« Er riss ihm den Rest des Grogs aus der Hand. »Was du jetzt brauchst, ist Kaffee.«
»Hey! Ich kann jederzeit fliegen!«, rief Pinn. Er griff nach dem Grog, seine Hand rutschte weg, und er krachte auf den Tisch, wobei er die leeren Flaschen überallhin verstreute.
Frey wartete, bis sich die Kakofonie berstenden Glases
gelegt hatte. »Wir warten ein paar Stunden, hm?«, schlug er vor.
»Was ’s’ denn los, Käp’n?«, fragte Malvery.
»Nicht allzu weit von hier gibt es eine Stadt namens Endurance. Da bauen sie in großem Stil Aerium ab. Die Burschen, mit denen wir gesprochen haben, kommen gerade von dort. Anscheinend sind ein Haufen Zenturienritter aufgetaucht. Und rate mal, nach wem die suchen.«
»Grist?«
»Genau. Offenbar fragen sie nach einem Kerl, der ihrer Ansicht nach mal zu seiner Crew gehört hat. Ein Bursche namens Almore Roke. Sie glauben, dass er in Endurance ist.«
Malvery runzelte die Stirn. »Warum suchen die denn nach Grist?«
»Gute Frage«, sagte Trinica. »Wir wissen es nicht. Aber dieser Roke scheint die beste Spur zu sein, die wir finden werden.«
»Ach wirklich?«, sagte Pinn höhnisch. »Haben Sie jetzt hier das Sagen?«
Frey warf ihm einen harten Blick zu. »Nein«, sagte er. »Das habe ich. Werd nüchtern und mach, dass du zur Ketty Jay zurückkommst. Malvery, du sorgst dafür.«
Frey und Trinica standen auf und gingen. Pinn wartete, bis sie fort waren, dann
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