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Schwarze Jagd - Wooding, C: Schwarze Jagd - Black Lung Captain (Book 2)

Schwarze Jagd - Wooding, C: Schwarze Jagd - Black Lung Captain (Book 2)

Titel: Schwarze Jagd - Wooding, C: Schwarze Jagd - Black Lung Captain (Book 2) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Wooding
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kein Mensch mehr sein. Wenn sie zu einem Kollektiv gehörte, würde sie kein Individuum mehr sein. Sie lehnte es ab, von irgendwem assimiliert zu werden.
    Ich bin ein Mensch, dachte sie, an das leere Schiff gewandt. Und ihr verfluchten Dreckskerle habt versucht, etwas anderes aus mir zu machen.
    Sie durchquerte die Geschützbucht. Dahinter entdeckte sie eine Leiter, die zu einem Oberdeck führte, und stieg hinauf. Oben gab es einen weiteren schrägen Gang, so kalt und schwarz wie die anderen. In den Wänden klafften mehrere Türöffnungen.
    Aus einer ragte ein Arm.
    Jez starrte ihn an. Ein Unterarm, sichtbar bis zum Ellbogen. Er lag auf dem Boden des Korridors. Ein zerrissener, zerlumpter Ärmel. Gelbliche, wächserne Haut. Lange, abgebrochene Fingernägel.
    Sie ging näher heran. Der Arm gehörte zu einem Körper. Der Körper lag in einem Raum. Und in diesem Raum …
    Dutzende von ihnen.
    Im Zentrum des Raumes hinter der Türöffnung stand ein großer Messingglobus, der Atalons Landmassen als Reliefs aus Obsidian zeigte. Ranken überwucherten das Bullauge dahinter, sperrten das Tageslicht aber nicht vollständig aus. An einer Wand hingen Karten; es gab einen Schreibtisch und ein Bücherregal. Die Bücher waren beim Absturz von den Borden gefallen. Jetzt lagen sie verstreut auf dem Haufen von Manenleichen, die sich an einer Wand stapelten.

    Es war die Kabine des Kapitäns. Und inmitten des Haufens, bekleidet mit einem langen, zerschlissenen Mantel und Stiefeln, lag der Kapitän. Tot wie die anderen.
    Wie können die Toten zweimal sterben?
    Sie lagen hier schon seit Jahrzehnten. Das bewies der Regenwald, der um sie herum emporgewachsen war. Dennoch waren sie perfekt konserviert, als könnten sie jeden Moment aufstehen und herumlaufen. Die Fäulnis, von der das Schlachtschiff befallen war, hatte ihnen nichts anhaben können.
    Sie stieg über den Leichnam in der Türöffnung hinweg. Er erinnerte sie an jenen Manen, der versucht hatte, sie zu verwandeln: von menschlichem Äußerem, aber mit verzerrten Zügen. Gelb-rote Augen, die blicklos aus einem schrumpeligen Gesicht starrten. Spitze, gefletschte Zähne.
    Einige der anderen sahen noch scheußlicher aus, andere weniger scheußlich. Manche hatten das Aussehen von Ungeheuern; manche hätten Menschen gewesen sein können. Einer war sogar ziemlich attraktiv, mit einer kalten, unheimlichen, heiteren Ruhe im Gesicht. Einige trugen Lumpen, andere buntscheckige Rüstungen. Einige hätten auf einer Straße in Lapin nicht deplatziert gewirkt; andere trugen Mode aus längst vergangenen Zeiten. Keiner von ihnen wies Spuren von Gewalt auf, abgesehen von der Art, wie man sie aufeinandergehäuft hatte. Als wären sie an eine Wand geworfen worden, so schlaff und leblos wie die Bücher, die ihnen folgten.
    Der Geruch, dieser schreckliche, tröstliche Geruch, war sehr intensiv hier drin. Trocken und animalisch. Der Geruch der Manen.
    Sie schaute weg. Ihr Anblick tat weh. Etwas an ihnen rief einen traurigen Schmerz in ihrer Brust hervor.

    Sie wirkten nicht einmal richtig tot. Sie hatten einfach nur … aufgehört.
    Ihr Blick fiel auf die im Raum verstreuten Bücher. Sie lagen aufgeschlagen da, mit umgeknickten Seiten. Einige von ihnen waren in vardischer Sprache verfasst. Klassiker, von denen sie viele gelesen hatte. Es gab auch samarlanische und thacianische Bücher; sie kannte die Sprachen, konnte sie aber nicht sprechen. Die meisten zeigten jedoch ein Schriftbild, das sie noch nie gesehen hatte.
    Sie hob das am nächsten liegende Buch auf und betrachtete es eingehend. Der Text war elegant und komplex, die Schrift geschwungen und voller Rundungen. Kreise und Halbkreise, durchbohrt von Bögen. Nirgendwo eine gerade Linie.
    Woher kommt das?, dachte sie. Es war gedruckt, ein professionell hergestelltes Produkt. Sie betrachtete es stirnrunzelnd und zerbrach sich den Kopf darüber, woher es stammen konnte. Peleshar? Ja, vielleicht. Möglich war es.
    Aber vielleicht besaßen die Manen Druckerpressen. Vielleicht stellten sie Bücher her.
    Vielleicht hatten sie ihre eigene Literatur.
    Bei diesem Gedanken wurde ihr schwindlig. Jez hatte sie aus dem Himmel kommen sehen, um die gesamte Einwohnerschaft einer kleinen yortischen Stadt zu ermorden oder zu entführen. Wilde Kreaturen, die von Dächern sprangen, umherhuschten wie flackernde Flammen und sich manchmal zu schnell für das menschliche Auge bewegten. Sie waren wie Tiere über Menschen hergefallen, hatten sie mit unmenschlicher

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