Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarze Jagd - Wooding, C: Schwarze Jagd - Black Lung Captain (Book 2)

Schwarze Jagd - Wooding, C: Schwarze Jagd - Black Lung Captain (Book 2)

Titel: Schwarze Jagd - Wooding, C: Schwarze Jagd - Black Lung Captain (Book 2) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Wooding
Vom Netzwerk:
Klinge an den Hals, unter der Krümmung des Kiefers. Ein schneller Schnitt an der richtigen Stelle, und er konnte schlafen. Er wusste gar nicht mehr, wann er das letzte Mal gut geschlafen hatte.

    »Jetzt stoß zu!«, zischte die Stimme aus der Dunkelheit. »Stoß zu! Stoß zu!«
    Er spürte, wie ihm ein Blutrinnsal am Hals herablief, und merkte, dass er die Haut bereits geritzt hatte. So weit war er schon; warum nicht noch ein wenig weiter gehen?
    Er holte Luft und hielt die Hand ruhig, bereit zum finalen Stoß.
    »Adieu, Onkel«, sagte die Stimme.
    Und Crake hielt inne. Adieu, in der Tat. Mit diesem einen schnellen Schnitt würde er sie verlassen. Er hätte seine Ruhe gefunden. Aber Bess nicht.
    Und wer würde sie dann retten?
    Er nahm die Klinge von seinem Hals. Sie fiel ihm aus den Händen und schlug klirrend auf den Steinboden.
    Ruhe. Frieden. Er verdiente es nicht.
    Er stand auf. Aus dem Dunkeln kam nichts als Schweigen.
    Der Dämon, der ihn dazu gebracht hatte, seine Nichte zu erstechen, hatte ihn aus einem bestimmten Grund am Leben gelassen. Er wollte, dass er für seine Anmaßung litt, mit Kräften herumzuspielen, die er nicht völlig verstand. Dass er einen Tag nach dem anderen in Qualen verbrachte. Mit dem Versuch, seiner Strafe zu entgehen, hatte Crake es unwissentlich noch schlimmer gemacht. Er hatte Bess nicht sterben lassen wollen und sie dadurch beide zu einer Ewigkeit des Elends verurteilt. Er hatte erst zwei Jahre davon abgesessen, war aber fast schon daran zerbrochen.
    Doch nun, wo es eine Chance auf Erlösung gab, konnte er sie nicht ergreifen. Nicht, solange Bess noch am Leben war. Bess brauchte ihn, und er war verantwortlich für sie.
    Drei Monate lang war er als betrunkener Landstreicher
umhergezogen, bevor er sich zusammengerissen und die Ketty Jay gefunden hatte. Das Leben an Bord hatte für einen Moment Klarheit gebracht, doch kaum war die ganze Angelegenheit mit Retribution Falls überstanden gewesen, hatte er wieder abzurutschen begonnen. Hatte versucht, den Schmerz zu verdrängen, statt gegen ihn anzugehen. Die ganze Zeit hatte er vorgehabt, etwas wegen Bess zu unternehmen, aber irgendwie war es nie dazu gekommen. Die Angst vor der Möglichkeit des Scheiterns war zu groß. Er fürchtete sich zu sehr davor, die relative Behaglichkeit der Crew aufzugeben, um seiner eigenen Wege zu gehen. Irgendwie wusste er, dass dies eine Aufgabe war, die er allein bewältigen musste, und das ängstigte ihn.
    Doch nun, wo es so weit war, wo er die Chance hatte, seine Bürde des Kummers loszuwerden, stellte er fest, dass er es nicht konnte. Er konnte seine Tat nicht wieder gutmachen, ihr aber auch nicht den Rücken kehren. Also gab es nur eine einzige andere Möglichkeit. Er musste sich der Sache stellen und sie in Ordnung bringen.
    Der Gedanke entfachte ein Feuer in seiner Brust. Dies war seine Bürde, und er würde sie tragen. Selbstmord war ein Ausweg für Feiglinge. Und Grayther Crake war kein Feigling.
    »Schau, was du mir angetan hast, Onkel«, flüsterte die Stimme. Crake drehte sich um und sah sie. Sie lag genauso da, wie er sie an jenem Tag gefunden hatte, mit demselben Ausdruck der Verständnislosigkeit und des enttäuschten Vertrauens im Gesicht. Blutüberströmt, nach Atem ringend, vom Schock gelähmt.
    Der Anblick trieb ihm neue Tränen in die Augen. Seine Unterlippe zitterte, und er schwankte erneut am Rand
der Hysterie. Doch dann holte er zitternd Luft und zwang sich, sie anzusehen.
    »Ja«, flüsterte er. »Ja, ich habe das getan.«
    Er ging zu ihr, hob sie auf und drückte sie an sich. Ihr leichter Körper, zerstochen und mit Blut besudelt. Sie wand sich in seinen Armen, versuchte, ihn von sich wegzustoßen, aber er war zu stark und ließ sie nicht los. Warmes Blut beschmierte seinen Hals und seine Hände.
    »Keine Angst«, sagte er leise. »Onkel Grayther sorgt dafür, dass es besser wird. Ich verspreche, ich sorge dafür, dass es besser wird. Irgendwie.«
    Sie begann zu schreien und zu kreischen und warf sich in seinem Griff hin und her. Sie schlug und kratzte ihn, aber er hielt sie fest. Tränen strömten ihm übers Gesicht, während das blutige Kind sich gegen ihn wehrte. Der Schmerz bedeutete ihm jetzt nichts. Er konnte alles ertragen und noch mehr, solange er sie nur festhielt.
    Ihre Schreie erreichten ein ohrenbetäubendes Crescendo, und dann brach in der Dunkelheit ein Chaos los.
    »Crake!«
    Es war Plome. Das Kind in Crakes Armen war fort. Ein unnatürlicher Wind wehte durchs

Weitere Kostenlose Bücher