Schwarze Küsse
Körper bewegte sich wie wild hin und her, und das Wasser machte ein Geräusch, das an tosende Wellen erinnerte.
Nicht weit von mir spielten einige Kinder. Der kleinste Junge trat mit dem Fuß einen bunten Ball, und die Größeren schossen ihn zurück, woraufhin sich der Kleine mehr wie ein Baseballspieler als wie ein Fußballer zu Boden warf und die Großen damit zum Lachen brachte. Ich muss zugeben, dass er auch mir ein Lächeln entlockte.
Auf einem anderen Teil des Grundstücks stapelten sich Telefonhäuschen von der Sorte, wie man sie auf der Straße sieht. Eine Gruppe Frauen zerlegte sie in ihre Einzelteile.
Wintilo trat aus dem Wohnhaus und näherte sich den Kindern. Er hob den Kleinsten hoch und gab ihm einen Fünfzig-Peso-Schein. Zu viel für ein Kind von drei Jahren und zu wenig, um den Hunger aus seinem Gesichtchen zu vertreiben. Wintilo setzte den Jungen wieder ab und kam zu mir, aber der Kleine rannte hinter ihm her und zeigte ihm den Ball. Wintilo nahm ihn in die Hand und ließ ihn auf einem Finger kreisen, bis die Farben ineinanderflossen und sich die Augen des kleinen Jungen vor Faszination weiteten.
Wir verließen das Grundstück.
»Ich fahre«, sagte Wintilo im Befehlston.
Ich fragte ihn, ob alles in Ordnung sei.
»Was interessiert dich das? Das geht dich einen Scheißdreck an«, antwortete er scharf.
Damit hatte er zweifellos recht, aber seine Schroffheit hatte einen Preis, nämlich dass er allein blieb, während sich seine Augen mit Trauer füllten und die Stadt sich in eine dicke Suppe aus Abgasen, Autos und Lärm verwandelte.
In eine Art gemeinsamen Groll versunken, fuhren wir zwei Stunden lang die gesamte Ringautobahn ab, ohne ein Wort miteinander zu wechseln; dann hielten wir an einem Vips-Schnellrestaurant, wo wir mehrere Tassen Kaffee hinunterstürzten, bevor wir wieder miteinander redeten. Wir malten ein Diagramm auf eine Serviette, in dessen Mitte wir einen Namen schrieben, Roberto, von dem andere Namen ausgingen: Efrén (gestorben im Hotel), Galindo (gestorben in seiner Kanzlei), Benjamín (Hotelmanager) und Delfino Paredes (gestorben in einem Feuertopf). Alles, was wir erreichten, war ein geometrisches Gebilde in Diamantenform. Theorien – Fehlanzeige. Also beschlossen wir, den Rest auf den nächsten Tag zu verschieben.
»Ruh dich aus, Kumpel«, sagte Wintilo mit einer Liebenswürdigkeit, die er selten an den Tag legte.
Ich ging nach Hause und war gerade dabei, mit einer Zeitschrift in die Wanne zu steigen, als das Telefon klingelte. Es war Teresa Sábato. Sie weinte, und ich konnte sie kaum verstehen. Sie sagte, so könnten wir nicht weitermachen. Ich schlug vor, sie solle herkommen, damit wir darüber reden könnten, und sie antwortete, genau darum gehe es doch. Es sei besser, wenn wir uns nicht mehr sähen, sie wisse genau, dass sich hinter meinem Vorschlag schwarze Absichten verbärgen.
»Und schwarz gefällt dir nicht«, erwiderte ich.
Sie schwieg. Dann murmelte sie, die Sache zwischen uns stinke zum Himmel, und legte auf.
Bis vier Uhr morgens tat ich kein Auge zu, weil ich ein ums andere Mal den Sturz eines gesichtslosen Mannes in einen Kessel mit flüssigem Feuer vor mir sah.
Ich hatte eigentlich geplant, bis mittags zu schlafen, und hätte mir daher auch nie träumen lassen, mich frühmorgens in den Gängen der Abgeordnetenkammer wiederzufinden. Der Grund dafür war, dass Lupe gegen sieben zu putzen begonnen hatte und dabei wie gewöhnlich den Fernseher laufen ließ. Als ich irgendwann einmal versucht hatte, es ihr zu verbieten, war ihre Reaktion unmissverständlich gewesen: Wenn ich ihr dieses Vergnügen nähme, würde sie kündigen, so dringend sie die Arbeit auch brauchte.
Jedenfalls war in den Nachrichten gekommen, dass heute verschiedene Politiker in der Abgeordnetenkammer zusammenkommen würden, um eine Angelegenheit von nationaler Wichtigkeit zu debattieren. Auch Richter Ernesto Oviedo würde dort sein. Ein Anflug von Instinkt – oder Verzweiflung – ließ mich aus dem Bett springen und aus dem Haus stürmen, ohne das Rührei zu essen, das Lupe mir hingestellt hatte.
Mir war plötzlich ein Gedanke gekommen: Wenn es jemanden gab, der Informationen über die Gewohnheiten von Roberto hatte, musste es doch wohl sein Vater sein.
Die Gänge der Abgeordnetenkammer hatten sich in einen Ameisenbau aus wild herumwuselnden Fernseh- und Zeitungsjournalisten verwandelt. Ein Blick in den Spiegel verriet mir, dass ich mit meiner zerknitterten Hose, meinem
Weitere Kostenlose Bücher