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Schwarze Küsse

Schwarze Küsse

Titel: Schwarze Küsse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joaquín Guerrero-Casasola
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mir: Dieser Mann dort war der Erste, der meinen Kopf in ein Klo tauchte.
    In den Siebzigerjahren hatte der Perro an Alter, Körperumfang und Zufriedenheit zugenommen und war bereits ein Experte allen Übels. Nein, ich bin mir nicht sicher, ob der Perro wirklich aus jeder Gefahr heil hervorgegangen wäre. Ich werde es auch nie erfahren, bis ich ihn finde.
    Denn dann wird sich diese Frage klären, die Frage, ob er wirklich unsterblich ist …

 
     
     
     
     
     
    E s waren etwa zehn Minuten vergangen, seit Wintilo mich ans Bett gekettet hatte. Judith öffnete die Augen und hielt sich schockiert die Hand vor den Mund, als sei sie aus einem Albtraum erwacht, nur um sich im nächsten wiederzufinden. In ihrem Blick lag Entsetzen und ein inständiges Flehen.
    »Na, aufgewacht, Dornröschen?«, fragte Wintilo sie.
    Judith biss sich auf die Finger.
    »Wusstest du, dass Gil und ich uns schon von klein auf kennen? Wir hatten nichts, nur eine öffentliche Schule, schlecht bezahlte Lehrer und leere Mägen. Aber wir waren glücklich. Gil machte nicht viele Worte, aber wenn er etwas sagte, hörte man ihm zu. Jetzt wird er sterben, und das ist deine Schuld. Du solltest noch etwas für ihn tun, bevor er stirbt. Hast du gehört? Tu etwas für meinen Freund …«
    »Was denn?«, schluchzte Judith.
    »Tu etwas für ihn.«
    Judiths Augen bewegten sich flackernd, bis sie auf mein Gesicht fielen. Auch ich sah sie fest an und bewegte die Hüfte auf sie zu.
    »Habe ich es nicht gesagt?« Wintilo richtete sich im Stuhl auf. »Im Krieg und in der Liebe …«
    Judith ließ die Finger über meine Hose gleiten. Sie öffnete meinen Hosenschlitz, und ihre Finger verfolgten weiter ihren Weg. Ich konnte nur hoffen, dass sie sich nicht für die falsche Pistole entschied. Das harte Eisen brachte sie wohl für einen Moment aus dem Konzept, aber als sie seine Form ertastete, füllten sich ihre Augen mit Hoffnung.
    »Yeeha!«, jaulte Wintilo. »Hier geht gleich die Post ab!«
    Judith zog die 22er hervor und richtete sie auf ihn. Aber Wintilo blieb keine Zeit, überrascht zu sein, denn der Überraschte war ich, als die Tunte mit der Pistole in der Hand mir die unvergessliche Frage stellte: »Wie schießt man damit?«
    Wintilo drehte sich zur Seite, schnappte sich die beiden Pistolen vom Tisch und richtete sie auf Judith. Eine Kugel zerschoss ihr die Schulter, die zweite schlug neben meiner Hand ins Kopfteil des Bettes ein.
    Ich warf mich zur Seite, weiter weg konnte ich nicht.
    Judith zog am Abzug, aber der Schuss zertrümmerte ihr den Zeh des eigenen Fußes. Sie heulte auf. Wintilo war vor Lachen der Ohnmacht nahe, bis ihn plötzlich ein Schuss in den Stuhl zurückwarf. Verwundert betrachtete er seinen Bauch. Dann hob er den Kopf, sah Judith an und sagte: »Du hast mich getroffen, du verdammte Hure!« Er hob die Pistolen und zielte sorgfältig auf Judith, die die 22er fallen ließ, obwohl ich sie aufforderte, erneut abzudrücken.
    Plötzlich legte Wintilo die Pistolen auf den Tisch und lehnte sich mit gesenktem Kopf im Stuhl zurück. Er starrte auf seinen Bauch, auf dem der Blutfleck immer größer wurde.
    »Nimm mir die Handschellen ab«, sagte ich zu Judith, aber sie starrte immer noch Wintilo an. »Judith!« Ich schüttelte die Hand mit der Handschelle.
    Beim Klang ihres Namens zitterte sie, als hätte ich sie aus dem Jenseits zurückgerufen. Sie erhob sich vom Bett und ging auf Wintilo zu, betrachtete ihn aus der Nähe.
    »Ich bin unsterblich, du Drecksnutte!« Er hob den Kopf.
    Judith stieß einen Schrei aus und hielt sich die Waffe an die Schläfe. Nach dem Schuss fiel sie auf die Knie, den Kopf auf Wintilo gelegt, wie ein Mädchen im Schoß seines Vaters. Er legte ihr die Hand aufs Haar.
    »Ja, leck ihn mir, du dumme Kuh«, sagte er mit letzter Bissigkeit, in der eine gewisse Zärtlichkeit lag. Dann war er still.
    Die Minuten vergingen, und ich lauschte dem Lied von der Cowboymaus, das vom Innenhof hereinschallte, der Stimme des Kaninchens, das dem Kommunionskind am Mikrofon gratulierte. Das alles vernahm ich, während ich ans Kopfteil des Bettes gekettet war, inmitten einer Blutlache, die mir wie glühende Lava vorkam, mit Wintilo, der neben mir auf dem Stuhl saß, und der toten Judith, die sich über ihn beugte. Ich dachte an meine Mutter, was ich selten tue, schließlich weiß ich ja nicht, an wen ich denken soll, an welche von all den Frauen, die mein Vater sich für mich ausdachte. Ich dachte an die Mutter von Teresa Sábato. Ich dachte an

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