Schwarze Piste
das mir. Dafür werde ich bezahlt. Ach – wo wir gerade darüber reden. Es ist mir sehr unangenehm, wenn ich es selber ansprechen muss.«
»Entschuldigung. Ich habe es im Stress ganz vergessen.« Krugger zog einen kleinen, weißen Briefumschlag aus seinem Jackett und legte ihn auf den Tisch. Frank nahm den Umschlag und steckte ihn, ohne hineinzusehen, in seine Manteltasche. Einige der Jugendlichen kamen jetzt die Treppe hoch und sahen sich lärmend nach Sitzmöglichkeiten um. Frank stand auf.
»Ich muss wieder. Lassen Sie sich Zeit.« Er nahm sein Tablett, drückte im Vorbeigehen Kruggers Schulter nach unten, um ihm zu signalisieren, dass er noch eine Weile sitzen bleiben sollte, und verschwand zwischen den Jugendlichen.
Krugger betrachtete den Schokoladenkuchen, den er kaum angerührt hatte. Ein dicker Klumpen hatte sich in seinem Magen gebildet. Er hatte Angst. Außerdem quälte ihn zusehends ein Gedanke, den er bislang von sich geschoben hatte: Angenommen, es gelänge Frank tatsächlich, an das Geld zu kommen – was hätte der für einen Grund, es ihm herauszugeben? Wenn er ihn betrog, würde das Franks Ruf in seinem Metier unwiederbringlich beschädigen, gewiss. Aber das war Frank vielleicht egal bei der Summe. Das Problem hatte Krugger natürlich schon vorher gesehen, man hatte ihm jedoch versichert, dass Frank in diesen Dingen zuverlässig sei. Was aber würde passieren, wenn Frank das Geld tatsächlich auftreiben würde? Frank müsste es ihm gar nicht sagen. Wozu auch? Er musste nur sagen: Sorry, hat nicht geklappt.
Der süßliche Geruch des Kuchens stieg Krugger in die Nase und verursachte ihm Übelkeit. Er stand auf und ging, ohne das Tablett mitzunehmen. Vor dem Eingang des Restaurants blieb er im Schneetreiben stehen und sah auf den nächtlichen Parkplatz. Er hatte nur diese eine Chance, sagte er sich. Er musste hoffen und beten.
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B aptist Krugger hatte Angst. Mehr Angst, als gut für ihn war. Nun konnte man sagen, das sei egal, solange Krugger zahlte. Aber so einfach war das nicht. Frank würde sein Bestes tun, um Krugger vor der Polizei zu schützen. Nur liefen die Dinge im Augenblick in die falsche Richtung. Wallner war über Tiffany auf die Spur des Mädchens gekommen, der ominöse Kommissar Kreuthner (er musste sich erkundigen, wer das eigentlich war) hatte aus irgendeinem Grund die Ereignisse vom September 2008 im Visier. Die Geschichte konnte durchaus schiefgehen. Was dann? Nun – dafür musste man kein Hellseher sein: Krugger würde singen wie ein Kanarienvogel. Krugger durfte infolgedessen keinesfalls in die Hände der Polizei fallen. Frank musste ein Auge auf die Entwicklung haben und im richtigen Moment Maßnahmen ergreifen, bevor ihm die Sache entglitt. Bis dahin blieb ihm wohl nicht mehr viel Zeit.
Um diese und ähnliche Probleme kreisten Franks Gedanken, als er sich auf der A 8, vom Irschenberg kommend, der Ausfahrt Holzkirchen näherte. Zum Gnadenhof hätte er jetzt abfahren müssen. Er war nah dran am Geld. Das spürte er. Daniela konnte ihm das Geld vielleicht beschaffen oder ihn zumindest hinführen. Danach wäre sie leider eine gefährliche Zeugin. Irgendwie mochte er das Mädchen und überlegte, ob es eine Möglichkeit gab, sie am Leben zu lassen. Es fiel ihm keine ein. Frank fuhr in dieser Nacht nicht bei Holzkirchen von der Autobahn ab.
Es hatte aufgehört zu schneien, als der rote Passat auf den Hof fuhr. Der Bewegungsmelder über dem Stall schlug an, und im Stall selbst brannte Licht. Kreuthner schaute zuerst durchs Küchenfenster, sah dort aber niemanden und wandte sich dem Stall zu. Dort war es still. Die Hühner saßen auf den Trennwänden der Boxen und rührten sich nicht. Hier und da hockte eine Katze im Heu oder auf einer erhöhten Fläche. Tacitus lag auf dem Boden vor einer offenen Pferdebox, wandte Kreuthner kurz den Kopf zu und legte ihn wieder auf seine gewaltigen Pfoten, als sei Kreuthners Ankunft das unwichtigste aller denkbaren Ereignisse. Kreuthner hörte nichts außer ein paar Hühnern, die das Scharren nicht lassen konnten. Die Pferde standen wie unter Drogen in ihren Boxen und rührten sich nicht. Als er zu einer der offenen Boxen trat, sah er Danielas Kopf. Sie drehte sich zu Kreuthner um, ihr Gesicht wirkte erschöpft.
»Ach, du bist das«, sagte sie. Ohne Vorwurf, ein wenig überrascht. »Ich hab gedacht, es ist die Tierärztin.«
Kreuthner trat noch näher. Daniela kniete auf dem Boden. In ihrem Schoß der Kopf von Kaspar, der
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