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Schwarze Piste

Schwarze Piste

Titel: Schwarze Piste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Föhr
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neben ihr lag, schwer atmete und mit seinem nach oben gerichteten Auge glasig zur Decke starrte. »Was ist mit ihm?«, fragte Kreuthner.
    »Nichts. Er stirbt.« Daniela strich mit der Hand über Kaspars nassen Hals.
    »Ist es … wegen der Maische?« Kreuthner kam in die Box und kniete sich neben Daniela.
    Sie schüttelte den Kopf. »Er ist alt. Irgendwann ist es eben so weit.« Ein leichtes Zucken ging durch den Körper des Wallachs. »Kannst du mir das Handy bringen? Es liegt auf dem Tisch neben der Tür.«
    Kreuthner brachte Daniela das Handy. Sie rief die Tierärztin an, die schon längst da sein sollte. Doch sie war im Neuschnee stecken geblieben und musste von einem Traktor herausgezogen werden. In fünf Minuten werde sie da sein.
    »Ich hab ein paar Mal versucht, dich anzurufen.«
    »Ich weiß. Du hast mir draufgesprochen. Ich hatte keine Lust zurückzurufen.«
    »Es tut mir leid wegen gestern.«
    »Schon okay. Ich glaube, den Tieren hat’s gefallen.« Sie tätschelte das Pferd. »Dein erster Rausch, Kaspar. Dann hast du das auch noch mitgenommen in deinem Pferdeleben.« Daniela atmete schwer durch.
    »Wie alt ist er?«
    »Vierzig. Er war das erste Pferd hier am Hof. Das ist viele Jahre her. Es hat gebrannt in seinem Stall, und sie haben ihn in seiner Box vergessen, weil irgendwie keiner für ihn zuständig war. Er war so ein Pferd, das sich fünf Leute geteilt haben.«
    »Er hat’s überlebt.«
    »Ja. Aber da hinten hat ihn ein glühender Balken getroffen.« An der Kuppe sah man ein etwa fünfzig Zentimeter langes Brandmal. »Er hatte eine offene Wunde. Und statt sich bei ihm zu entschuldigen, dass sie ihn fast haben verbrennen lassen, ist er zum Schlachter gekommen. Weil er mit der offenen Wunde nicht mehr zum Reiten getaugt hat. Da hat ihn meine Schwester gesehen und dem Schlachter abgekauft.«
    Danielas Erzählung schien Kaspar mit neuem Leben zu erfüllen. Er hob seinen Kopf und versuchte aufzustehen, brach aber auf halbem Weg zusammen, versuchte es erneut und scheiterte wieder. »Wir müssen ihm helfen«, sagte Daniela, als das Pferd zum dritten Mal aufstehen wollte. Zu zweit stemmten sie sich mit den Schultern gegen Kaspars Seite. Die kleine Stütze reichte ihm, um ganz auf die Beine zu kommen. Er stand mit hängendem Kopf und zitternden Beinen schwitzend in der Box.
    »Wie geht’s dir?«, sagte Daniela zu dem Pferd. »Kannst du ein paar Schritte gehen?« Sie zog vorsichtig am Halfter. Kaspar machte einen Schritt zur Seite und geriet aus dem Gleichgewicht. Sie mussten ihn wieder stützen.
    »Glaubst du, er packt’s noch mal?«
    »Nein. Aber es wäre besser, wenn er draußen stirbt. Dann muss ihn der Abdecker nicht durch den ganzen Stall ziehen. Das ist kein schöner Anblick.«
    Kreuthner hatte eine Hand am Körper des Tieres. »Du gibst ihn zum Abdecker?«
    »Das ist nur noch seine Hülle. Kaspar ist dann schon im Pferdehimmel.« Sie striegelte mit einer Bürste über Kaspars Hals. Von draußen hörte man einen Wagen vorfahren.
    Die Tierärztin hatte schon viele Tiere in den Himmel geschickt. Dennoch stand Kerstin mit großem Bedauern vor Kaspar. Sie redete leise mit Daniela und sagte, dass Kaspar ein schönes Leben gehabt habe, dass es irgendwann ein Ende haben müsse und dass sie wisse, wie Daniela zumute sei. Dann bereitete sie die Spritze vor und fragte Daniela, ob sie bereit sei. Daniela nickte. Kerstin sagte zu Kreuthner, sie müssten dem Tier helfen, sich auf die Seite zu legen, wenn die Spritze ihre Wirkung entfalte. Auch Kreuthner nickte. Es vergingen einige Augenblicke, nachdem Kerstin den Inhalt der Spritze injiziert hatte, dann kam Kaspar ins Wanken, die Beine wurden schwach und gaben schließlich nach. Zu dritt stützten sie ihn so weit, dass er sich sanft auf die Seite legen konnte. Daniela behielt eine Hand unter dem Kopf, bis Kaspars Herz aufgehört hatte zu schlagen. Kerstin sagte, das sei nicht nötig. Daniela sagte: »Ich weiß, dass er nichts mehr spürt. Aber ich hab das Gefühl, es ist leichter für ihn.«
     
    Sie saßen in der Küche, Kreuthner trank ein Bier, Daniela Kirschbrand aus der Hinterlassenschaft von Onkel Simon. Kerstin, die Tierärztin, war wieder gefahren, und sie hatten eine Decke über Kaspar gelegt. Der Abdecker würde erst morgen kommen.
    »Bist gar net traurig?«, fragte Kreuthner. Es wunderte ihn, dass Daniela nicht weinte.
    »Das ist ein Gnadenhof. Hier wird jede Woche gestorben.«
    »Ich mein ja nur – weil er schon so lang da war.«
    »Ja«, sagte sie

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