Schwarze Rose der Nacht - Amber, P: Schwarze Rose der Nacht
sie bei diesem Wetter durch die nassen Straßen?“
Er musste seine Brille abnehmen, da sie voller Regentröpfchen war, und wischte mit einer Ecke seines Mantelstoffes daran herum.
„Oh – Sie wissen schon, Miss Burke: die Bücher. Ich beabsichtige, eine Ausgabe von Dantes Göttlicher Komödie zu erwerben, die mir neulich hier sehr günstig angeboten wurde.“
„Da wünsche ich Ihnen viel Glück“, meinte sie kühl. „Und wie geht es Ihrem Roman? Sind Sie vorangekommen?“
Er setzte die Brille wieder auf, was seine Sicht jedoch wenig verbesserte, denn die Gläser waren schlierig von dem verschmutzten Mantelstoff.
„Ach Miss Burke“, jammerte er und sein schmales Gesicht zog sich noch ein wenig mehr in die Länge. „Seitdem Sie fort sind, will mir nichts mehr einfallen. Ich sitze vor dem Papier, grüble, denke, quetsche mir das Hirn aus – und nichts will dabei herauskommen.“
„Das tut mir leid, Mr. Barney.“
Er betrachtete angelegentlich den gelben Blumenstrauß und schüttelte traurig den Kopf.
„Warum haben Sie denn nur nicht auf mich gehört, Miss Burke. Sie haben das Zeug zu einer Künstlerin und dürfen sich nicht mit solch profanen Dingen wie der Führung eines Haushalts verschwenden. Ich hätte alles für Sie in die Wege geleitet. Ein Zimmer, Schüler, Möglichkeiten, als Pianistin aufzutreten …“
Violet verzog keine Miene, obgleich sie ihm gern gesagt hätte, was sie von ihm hielt.
„Es ist nicht so leicht, sich als Klavierlehrerin sein Brot zu verdienen, Mr. Barney. Es war sehr liebenswürdig von Ihnen, mir diese Arbeit im „Green Palace“ zu vermitteln – aber leider hat man mich gleich wieder entlassen. So ist das nun einmal.“
„Das ist mir zu Ohren gekommen“, sagte er traurig und begann, mit einer Hand in der Tasche seines Regenmantels zu wühlen. „Aber es hat eine Anfrage gegeben, Miss Burke. Jemand möchte Sie als Pianistin anstellen – wo habe ich denn nur die Karte?“
Violet bemerkte plötzlich, dass Marlow sie durch die Glasscheibe hindurch anstarrte. Aha – jetzt hatte er bemerkt, dass sie einen Bekannten getroffen hatte. Die nächste Rüge würde nicht auf sich warten lassen.
„Bemühen Sie sich bitte nicht, Mr. Barney“, wehrte sie ab. „Ich habe eine gute Stellung und denke nicht daran, mich zu verändern.“
„Hier!“, rief er vergnügt und hielt ihr eine gedruckte Visitenkarte entgegen. Sie war aus teurem Kartonpapier und Violet erkannte ein Wappen über dem Namenszug.
„Die Dame hat Sie schon im Green Palace angesprochen und ihr Ehemann hat sich gestern dort nach Ihnen erkundigt. Leider hatte Mr. Summers keine Ahnung, wo Sie abgeblieben waren, daher hat er sich an mich gewandt.“
Violet zögerte, doch dann nahm sie die Visitenkarte und steckte sie in die Tasche ihrer Jacke. Vielleicht handelte es sich ja um die gütige Dame in Trauerkleidung, die ihr Spiel so gelobt hatte, in diesem Fall war sie gern bereit, ihr einen Gefallen zu tun.
„Die Dame ist ein wenig schwermütig und sucht eine junge Person, die ihr auf dem Klavier vorspielt“, erklärte Mr. Barney und nickte dabei so heftig, dass ihm das Wasser vom Hut tropfte.
Als Marlow die Tür des Antiquariats mit verhaltener Wut aufriss und dabei ein fulminantes Klingeln verursachte, ergriff Barney eilig Violets Hand, um sie zum Abschied kurz zu drücken und empfahl sich. Er lief so hastig davon, dass der graue Regenmantel um seinen schmächtigen Körper flatterte und er einer übergroßen Fledermaus glich.
„Ich sehe, die Lady wärmt wieder alte Freundschaften auf“, sagte Marlow giftig. „Hatte ich Sie nicht gebeten, das zu unterlassen?“
„Es war nur Mr. Barney.“
Marlow trug einige Bücher unter dem Arm, die mit einer Schnur zusammengebunden waren. Jetzt nahm er ihr den Schirm aus der Hand und ging mit solch großen Schritten voran, dass sie ihm kaum folgen konnte.
„Gestern Mr. Potter - heute Mr. Barney! Sie scheinen an allen Ecken zu stehen, Ihre Bekannten!“, schimpfte er.
„Was soll ich tun? Eine Maske aufsetzen? Mir eine Tarnkappe überziehen?“
„Das fehlte gerade noch.“
Zu Hause in der Warwick Street angekommen, verschwand Marlow in der Bibliothek, um sich dort in aller Ruhe mit den neu gekauften Büchern zu befassen. Violet kümmerte sich um die Vorbereitungen für den anstehenden Besuch, wies Maggy an, den Tisch im Speisezimmer herzurichten und ging dann mit ihr in die Küche, um den Blumenstrauß zu einer passenden Tischdekoration umzugestalten.
Mrs.
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