Schwarze Rosen
bloß, um mit seiner blöden Provokation weiterzumachen. Es konnte noch an diesem Tag geschehen, von einem Moment auf den anderen, vielleicht gerade in diesem Augenblick. Ein Mörder, der keine Fehler beging, keine Spuren hinterließ. Abgesehen von den Haaren am letzten Tatort. Wie viele Menschen mussten noch sterben? Wie viel Zeit würden sie noch brauchen, um ihn zu fassen? Und falls er wirklich einer geheimen Sekte angehörte, würde es ihnen überhaupt gelingen, ihn zu überführen?
Der Commissario dachte wieder an die Reaktion des Oberstaatsanwaltes, an dessen Panik wegen der Mitgliederliste, an die erst vor ein paar Tagen geschriebene Notiz im Kalender der Clubbesitzerin, an die schwarze Blume. Wovor hatte Madalena Da Silva Angst gehabt? Was war das ›Versehen‹ gewesen? Und wer hatte sie zwischendurch beruhigt?
Was ihm jedoch vor allem Kopfzerbrechen bereitete, war der Verdacht, tatsächlich bespitzelt zu werden. Von wem? Mit welchen Methoden? Waren wirklich Wanzen in seinem Büro versteckt? Wie viele? Und wurde er zusätzlich beschattet? Falls ja, dann von einem Profi. Ferrara war nie etwas aufgefallen.
Zum Schluss die schmerzlichste Frage: Befand sich der Maulwurf unter seinen eigenen Leuten? Aber wer von ihnen könnte auf die andere Seite des Gesetzes gewechselt sein?
Der Gedanke, dass Silvia De Luca wegen der Auskünfte getötet worden war, die sie ihm und Venturi so bereitwillig gegeben hatte, lastete schwer auf dem Commissario. Zu Hause hatte er Mühe, seine Beklemmung vor Petra zu verbergen, und lag lange wach. Er spürte, dass ihm etwas sehr Kostbares genommen worden war: das uneingeschränkte Vertrauen in seine Mitarbeiter.
Ohne ein echtes Team – welchen Sinn hatte seine Arbeit da noch?
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FREITAG, 2. JULI
Es ging zu wie im Irrenhaus.
Als wäre das Präsidium aufgrund einer Art Rache der Geschichte wieder zum alten Spedale di Bonifazio, dem Bonifatiusspital für Geisteskranke, geworden.
Hektische Schritte auf den Fluren, erregte Stimmen in den Büros, unablässiges Telefonklingeln, Türenschlagen.
Dieser Aufruhr rührte jedoch nicht von der üblichen Anspannung und Betriebsamkeit vor einer wichtigen Polizeioperation her. Weit davon entfernt! Es waren die Tageszeitungen, die ihn ausgelöst hatten.
Auf allen prangte unübersehbar das Phantombild des mutmaßlichen Mörders, versehen mit der Beschreibung, die bei der Pressekonferenz bekannt gegeben worden war.
Doch damit nicht genug.
Vor allem die Nazione ging weit darüber hinaus. Sie gab einen Überblick über die jüngsten Verbrechen und widmete der Tat in der kleinen Kirche und der Identifizierung des Opfers viel Raum. Dazu veröffentlichte sie ein etwas älteres Foto von Madalena Miranda Da Silva, das sie in ihrer ganzen Schönheit zeigte. Abgerundet wurde das alles durch einen Leitartikel des Chefredakteurs, der auf die Unfähigkeit der Polizei im Allgemeinen und der Squadra Mobile und ihres Chefs im Besonderen einging. Unter anderem schrieb er:
In Florenz haben die Verbrecher mittlerweile freie Hand – Mafiosi neuer Prägung aus Osteuropa, gemeingefährliche Mörder und sogar Satanisten, die ungestraft ihre Rituale in unserer bezaubern d en Landschaft zelebrieren können. Die Hügel triefen mittlerweile vor unschuldigem Blut …
Der Artikel schloss mit einer Reihe von Fragezeichen:
Wer soll die ehrlichen Bürger schützen? Müssen wir etwa daran denken, uns zu bewaffnen? Was unternimmt die Polizei?
Auf einer anderen Seite des Florentiner Lokalteils wurde dann über den Mord an Silvia De Luca berichtet, die, wie der Reporter sich ausdrückte, unbestätigten Gerüchten zufolge eine Forscherin und Expertin auf dem Gebiet der Esoterik und schwarzen Magie gewesen sein solle und möglicherweise im Zusammenhang mit den Ermittlungen zu dem Ritual in der Kirche getötet worden sei.
Hatte sie mit der Polizei zusammengearbeitet? , lautete die Frage am Ende des Artikels.
In einem Kasten hatte man dazu einen Kommentar eines berühmten Kriminologen aus Rom abgedruckt, der behauptete, dass die Fahnder sich heutzutage zu sehr auf Computer, Kriminaltechnik und die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse verließen und man sich wieder mehr auf die Fähigkeiten des intelligenten Ermittlers besinnen müsse, des Kriminalkommissars von einst, auf dessen Intuition und die traditionellen Methoden. Dieser Typus sei zu einer nostalgischen Erinnerung verkommen.
Insbesondere beklagte der Experte, dass niemand mehr in der Lage sei, eine
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