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Schwarze Rosen

Schwarze Rosen

Titel: Schwarze Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michele Giuttari
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dieses Paar gesehen.«
    »Denken Sie, Sie könnten uns helfen, ein Phantombild anzufertigen?«
    »Ich fürchte, nein. Wie gesagt, ich habe sie nur im Vorbeigehen gesehen. Gerade einen Augenblick lang.«
    Sie waren keinen Schritt weiter.
    19
    Es war sieben Uhr abends, als der Commissario die letzte noch aufgeschlagene Aktenmappe zuklappte und in die oberste Schreibtischschublade legte. Er löschte das Licht und schloss, wie es seine Gewohnheit war, die Bürotür zweifach ab.
    Als er aus dem Gebäude trat, traf ihn ein heftiger Windstoß wie ein Faustschlag. Der Schirokko. Dieser warme Wind, der über sein heimatliches Sizilien herrschte und die schweren Regenwolken fortgeweht hatte. Einen Moment lang glaubte Ferrara, das Meer zu riechen, diesen intensiven Jodgeruch, und das rhythmische Branden der Wellen zu hören, die auf dem Strand aufschlugen, den hellen Sandstreifen zu sehen, die Möwen, die sich vor dem Himmel abzeichneten … Ah,wie sehr fehlte ihm dieses blaue Meer hier in Florenz! Für ihn, der in Catania geboren und aufgewachsen war, rankten sich so viele Geschichten um das Meer, so viele Erinnerungen, und alle waren sie schön. Andere Zeiten. Er war jung gewesen, hatte das Leben geliebt und das Böse noch nicht aus der Nähe gesehen.
    Er ging ein paar Meter zurück und stellte sich in den Schutz der Eingangshalle, neben die Wachen. Dort zündete er sich eine Zigarre mit dem Streichholz an. Er rauchte langsam, um den Geschmack zu genießen und sie nicht zu schnell zu erhitzen. Müde und gedankenschwer wie er war, beschloss er, zu Fuß nach Hause zu gehen, um sich zu entspannen. Das hatte er wirklich nötig. An der frischen Luft spazieren zu gehen half ihm meistens, die Sorgen abzuwerfen und einen klaren Kopf zu bekommen. Er wies den Fahrer an, ihm mit einigem Abstand im Auto zu folgen, und ging los.
    Ohne Eile.
    Wie ein Tourist, der sich zum ersten Mal die Stadt ansieht.
    Via Cavour. Via Panzani. Der Dom.
    Beim Überqueren der Straße wurde er von der Abgaswolke eines Busses erfasst und musste husten. Tag für Tag wurde dieser Teil der historischen Altstadt rund zweitausend Mal von solchen Fahrzeugen durchquert. Sie verschmutzten die Luft und die Bauwerke, die ebenfalls in dem von Jahr zu Jahr übermäßig zunehmenden Smog erstickten.
    Der Commissario ließ Brunelleschis Kuppel links hinter sich. Gegenüber porträtierten ein paar Straßenmaler vor ihren Staffeleien spontane Kunden. Er bog in die Via dei Calzaiuoli ein, in der es keine Bürgersteige gab. Eine Insel der Ruhe für Fußgänger, endlich! Hier durften nur Polizeifahrzeuge und Krankenwagen im Noteinsatz durchfahren.
    Wie immer erfüllte quirliges Leben die Via die Calzaiuoli. Ein Strom von Touristen, größtenteils Japaner, floss in beide Richtungen. Hier und da blieb jemand kurz vor einem der beleuchteten Schaufenster stehen. Das gleiche Tamtam, das gleiche Geschnatter wie jeden Abend. Ferrara ging in einen Eissalon. Die überquellenden Bottiche hatten ihn angezogen, und er hatte Lust auf einen Becher mit Nuss und Pistazie bekommen.
    Dann spazierte er weiter, mitten durch eine große Gruppe lärmender amerikanischer Schüler hindurch, deren Lehrer alle Hände voll zu tun hatten, sie zusammenzuhalten und keinen zu verlieren. An der Ecke Via Orsanmichele blieb Ferrara stehen und beobachtete das Treiben. Eine junge Frau, höchstens dreißig, saß auf einem Hocker vor einem Tischchen, auf dem eine im Wind flackernde Kerze stand. Ein dunkler Minirock bedeckte ihre tief gebräunten Schenkel nur zur Hälfte. Die ebenfalls dunkle, transparente Bluse war weit genug aufgeknöpft, um ihren üppigen Busen zur Schau zu stellen. Sie trug hochhackige Schuhe, und ihre kupferroten Haare waren zu unglaublich langen Zöpfen geflochten. Eine attraktive, wenn auch recht vulgäre Frau. Auf der anderen Seite des Tisches saß ein Mann mit schulterlangen Haaren und einem weißen Hut mit breiter Krempe in einer Art Regiestuhl und legte ihr die Tarotkarten. Als der Commissario an ihnen vorbeiging, deckte er gerade wieder eine Karte auf. Die junge Frau sah dem Mann aufmerksam ins Gesicht, begierig, ihre Zukunft zu erfahren und von Glück in Geld- oder Liebesdingen zu hören.
    Von seiner Nische in der Kirchenfassade aus schien der heilige Petrus, ein Buch fest in der linken Hand und zweischwere, übereinanderliegende Schlüssel in der rechten, die Menschheit an den Tag des Jüngsten Gerichts erinnern zu wollen.
    Heiliges und Profanes, dicht beieinander.
    Der Commissario ging

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