Schwarze Rosen
der Gerichtsbarkeit mit kritischeren Augen. Sie kamen ihm immer mehr wie ein anderes Universum vor, das nur aus Bürokratie und Papierbergen bestand und sich komplett von der Arbeit im Präsidium und der Atmosphäre unterschied, die auf den Fluren und in den Räumen seiner Squadra Mobile herrschte.
Dieses Gefühl der Entfremdung hatte nach der Ermordung der Staatsanwältin Anna Giulietti, seiner geschätzten Freundin, noch zugenommen. Jedes Mal, wenn er das ehemalige Büro der Giulietti betrat, in dem nun Luigi Vinci saß, überfiel ihn eine große Traurigkeit.
Vinci war seit rund zehn Jahren in Florenz tätig. Ein Mann um die fünfzig, der alles unternahm, um sich fit zu halten. Er spielte zweimal die Woche Tennis in einem Privatklub in Poggio Imperiale, und sonntags morgens konnte man ihn häufig im Parco delle Cascine beim Joggen antreffen. Auf beruflicher Ebene dagegen glänzte er nicht gerade durch Eigeninitiative, im Gegenteil, er hatte den Ruf, eher ängstlich zu sein, und nicht umsonst hieß er bei einigen Kriminalbeamten, die mit ihm zusammengearbeitet hatten, »das Weichei«.
An diesem Tag trug er ein blaues Sportsakko und eine Leinenhose in derselben Farbe.
»Maresciallo, wie verlief Ihr Besuch bei der Familie Innocenti?«, begann er ohne große Einleitung.
Gori berichtete, nur mit dem Vater des Opfers gesprochen zu haben, der ihn an der halb geöffneten Haustür der Villa abgefertigt hatte. Der Mann habe ihm keine einzige Frage gestellt, weder darüber, wie seine Tochter zu Tode gekommen war, noch zum Stand der Ermittlungen.
»Um es noch klarer auszudrücken, Dottor Vinci, er hat keine Spur von Kummer gezeigt, bloß Gleichgültigkeit, und er hatte es ungebührlich eilig, das Gespräch zu beenden. Seine einzige Sorge scheint es zu sein, einen Skandal zu vermeiden, der den guten Namen der Familie beschädigen könnte. Wenn ich eine Meinung äußern darf: Von dieser Seite ist keinerlei Unterstützung zu erwarten.«
»Merkwürdig«, kommentierte Vinci nur.
Der Commissario beschränkte sich auf ein Nicken.
»Dottore, vielleicht wäre es angebracht, die Telefone der Familie abhören zu lassen«, schlug Gori vor, obwohl er im Grunde wusste, dass daraus nichts werden würde bei dem Einfluss, den Alvise Innocenti bei den maßgeblichen Behörden der Stadt geltend machen konnte.
»Maresciallo, ich werde mit dem Oberstaatsanwalt darüber sprechen und Ihnen Bescheid geben«, beendete Vinci das Thema schnell und wandte sich dann an Ferrara: »Commissario, was denken Sie über den Mord? Haben Sie irgendeine Erklärung für die Rose auf der Scham des Opfers?«
Ferrara hielt es für verfrüht, eine mögliche Verbindung zwischen dem entstellten Gesicht der Toten in den Cappelle und dem Mord anzusprechen, und sagte nur: »Ich kenne bisher nicht alle Einzelheiten, aber meine Dienststelle steht für eine Mitarbeit bei der Untersuchung zur Verfügung.«
»Ja, Sie müssen unbedingt zusammenarbeiten«, betonte der Staatsanwalt sogleich mit erhobener Stimme.
»Ich werde dem Commissario alle Unterlagen zukommen lassen«, versprach Gori.
»Gut, danke«, sagte Vinci, offensichtlich zufrieden mit diesem beiderseits geäußerten Kooperationswillen. »Aber Ferrara, was halten Sie nun von dieser Rose?«, hakte er nach.
»Das könnte eine Botschaft sein«, wagte der Commissario zu vermuten.
»Eine Botschaft? An wen?«
»Das muss die Untersuchung ergeben.«
»Nun, dann an die Arbeit, meine Herren! Und dieses Detail darf nicht an die Presse durchsickern, verstanden? Strikte Geheimhaltung.«
Die beiden Ermittler nickten und verabschiedeten sich.
ZWEITER TEIL
Besondere Freundschaften
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Ein strahlend schöner Sommertag.
Im Vordergrund wies ein Straßenschild auf Montespertoli, »die Stadt des Weins«, hin. Es folgte eine Panoramastraße durch die Hügel, gut zu sehen eine riesige verbrannte Eiche, die wie ein drohendes Gespenst dastand, und dann ein ausgebauter Heuschober, der ganz abgeschieden und von einer hohen Steinmauer umgeben war. Auf der einen Seite eine Weinlaube mit einem Tisch und Stühlen. Innen ein recht geräumiges Schlafzimmer. Und zwei Stimmen, die eines Mannes und einer Frau.
»Bist du sicher?«
»Ja. Du weißt, das ist schon lange mein großer Traum. Ich kann es kaum erwarten.«
»Du wirst jetzt zu einer Adeptin, und wie du bereits weißt, setzt sich die Organisation neben den Adepten aus den Priestern, dem Fürsten, dem Meister und dem Großmeister zusammen. Ich bin der Priester, der dich
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