Schwarze Rosen
wieder an das, was ihm am Abend zuvor gesagt worden war: »Keine Sorge, wir werden dich nicht im Stich lassen. Du wirst gerächt werden für das, was man dir angetan hat. Für uns ist es, als wären wir alle von dieser schwarzen Rose beleidigt worden … verstehst du?«
Er fragte sich, ob er die Wahrheit gehört hatte. Warum diese explizite Erwähnung der Rose?
Sein alter Kindheitsfreund erschien ihm schon seit einiger Zeit verändert. Vielleicht lag es an dem Krebs, der ihn jeden Tag mehr aufzehrte. Und wenn es noch andere Gründe gab? Etwas, das seine Wurzeln in der Vergangenheit hatte? Waren sie am Ende dabei, sich zu entzweien? Warum hatte Giovanna so schrecklich sterben müssen? War es ein Racheakt von jemandem, der Hass auf sie verspürte und sie gegeneinander aufhetzen wollte?
Er musste auf der Hut sein und durfte niemandem trauen.
»Alvise, der Tee ist fertig.« Laura schenkte ein und reichte ihm seine Tasse. Er drückte die Zigarette im Aschenbecher aus und begann, in kleinen Schlucken zu trinken. Ab und zu fuhr er den Tassenrand mit dem Finger nach, eine Methode, sich zu entspannen.
»Meine geliebte Giovanna«, sagte seine Frau plötzlich, »warum wurde sie umgebracht? Wer kann so ein Verbrechen begehen?«
»Trink deinen Tee, Laura!«
»Und dann, Alvise, möchte ich dich bitten, Platz in der Kapelle zu schaffen. Ich will nicht, dass sie lange allein dort liegen muss, wenn auch nahebei. Die Leute könnten reden, du weißt, wie es in Florenz ist.«
»Ja, ja, mache ich. Ich habe schon Anweisung gegeben. Nach der erforderlichen Zeit wird sie in der Kapelle ruhen.«
»Diese Sara hat doch tatsächlich die Frechheit besessen, zur Beerdigung zu kommen. Wenigstens hat sie nicht das Wort an uns gerichtet«, fuhr seine Frau etwas munterer fort. »Das hätte sie mal versuchen sollen, ich hätte sie davongejagt! Diese Nichtswürdige! Zu wie viel Tratsch und Klatsch hat sie Anlass gegeben! Ganz Florenz ist voll davon. Wer weiß, was in ihr vorgeht! Es würde mich nicht wundern, wenn sie etwas mit dieser schrecklichen Sache zu tun hätte.« Sie sah ihrem Mann in die Augen wie jemand, der etwas Wichtiges zu erfahren hofft.
»Ach, woher denn!«
»Es würde mich ebenfalls nicht wundern, wenn sie versuchen würde, uns auch noch mit in den Dreck zu ziehen, dieses Miststück. Ach, meine arme Kleine!«
»Was redest du denn da, Laura? Wir sollten ihr gar keine Beachtung schenken.« Sein Ton wurde scharf. Aus der Tasse in seiner Hand tropfte ein wenig Tee auf die Tonfliesen.
»Reg dich nicht auf, Alvise. Uns fehlt es schließlich nicht an Verbindungen. Wir müssen die Wahrheit herausfinden, denn …« Sie ließ den Satz in der Schwebe und führte ihre Teetasse an den Mund. Dann stellte sie sie auf dem Tisch ab und entfernte sich. Und Alvise, der diese schleppenden Schritte hasste, hörte sie diesmal kaum.
Ihm gingen immer noch die Worte von gestern im Kopf herum: »Keine Sorge, wir werden dich nicht im Stich lassen …«
Er nahm sich erneut vor, keinem über den Weg zu trauen. Dann stand er auf und ging in den Garten. Er musste allein sein und die frische Luft der Hügel in sich aufsaugen.
4 7
Seine große Liebe.
Seine einzig wahre Liebe.
Er hatte sie auf Enricos Junggesellenabschied kennengelernt. Damals war er noch keine dreißig gewesen, aber schon länger mit Laura verheiratet, eine Vernunftehe. Diese junge Frau mit den schmalen, perfekten Zügen hatte ihn gleich durch ihre Schönheit beeindruckt, durch ihren biegsamen Körper, die grauen Augen, den klaren Porzellanteint. Sie hieß Elena. Erst später erfuhr er, dass sie trotz ihrer erst neunzehn Jahre kein unbeschriebenes Blatt mehr war, aber das hatte ihn nicht daran gehindert, sich rettungslos in sie zu verlieben. Sie war stets bereit gewesen, seine sexuellen Begierden zu befriedigen, auch die perversesten.
Giovanna war gerade erst geboren worden, als Elena ebenfalls ein Kind erwartete. Er hatte sich darüber gefreut, sehr sogar, denn dieses kleine Wesen würde eine echte Frucht der Liebe sein. Doch dann hatte ihn Elenas unerwarteter Tod bei der Geburt in die tiefste Verzweiflung gestürzt. Er hatte begonnen, das Neugeborene, das schuld an ihrem Tod war, zu hassen, hatte es aus seinem Leben entfernt und der Kinderfrau übergeben, die auch ihn schon großgezogen hatte. Bei den wenigen Begegnungen mit dem Jungen war er unfähig gewesen, ihn in die Arme zu nehmen oder auch nur zu berühren. Hatte bloß mit kaum verhohlener Abscheu auf ihn
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