Schwarze Rosen
immer wieder räuspernd unterbrechen, weil seine Kehle vom Qualm gereizt war. »Gehen wir nach draußen, Commissario, ich brauche frische Luft!«
Sie bückten sich unter der rot-weißen Absperrung hindurch.
»Was ist die Todesursache, Dottore?«, fragte Ferrara. Die Frage mochte überflüssig erscheinen angesichts der Umstände, doch der Arzt ahnte den Grund und schüttelte den Kopf. »Ich weiß, worauf Sie hinauswollen, aber betreffs der primären Todesursache müssen wir die Obduktion abwarten. Könnte sein, dass sie nicht auf Rauchvergiftung zurückzuführen ist.«
»Wieso?«
»Die Frau ist möglicherweise schon vor dem Feuer tot gewesen. Darauf deuten einige Auffälligkeiten hin …« Er stockte und atmete tief durch.
»Welche?«
»Erstens gibt es auf den ersten Blick keine verbrannten Textilreste. Das Opfer war also höchstwahrscheinlich nackt.«
»Was noch?«
»Zweitens sind Überreste von inneren Organen auf dem Abdomen festzustellen, aber …« Franceschini musste husten. »… aber nageln Sie mich auf nichts fest, bevor ich die Leiche obduziert habe, Commissario. Ich könnte zu einer irrigen Schlussfolgerung kommen, hier so aus dem Stegreif. Und vergessen wir nicht, das der Tatort durch die Feuerwehr kontaminiert wurde und das Löschwasser wichtige Spuren vernichtet haben könnte.«
»Sind Sie auf etwas gestoßen, womit wir das Opfer identifizieren könnten?«
»Bei Brandopfern kann man durch eine Untersuchung der inneren Organe und das Zusammentreffen anderer Merkmale annähernd das Alter bestimmen, aber für eine zuverlässige Identifizierung ist noch mehr nötig, wie Sie wissen.«
»Sicher.«
»Das Gebiss könnte hilfreich sein, vorausgesetzt, es stehen Röntgenaufnahmen für einen Vergleich zur Verfügung. Und in unserem Fall kommt hinzu …«
»Ja?«
»Es sieht so aus, als wäre die Leiche nicht mehr unversehrt gewesen, als sie angezündet wurde. Lassen Sie mich meine Arbeit abschließen, dann kann ich Ihnen Genaueres sagen.«
»Ist gut. Ich schätze Ihre Professionalität.«
»Und ich schätze, dass Sie nur schwerlich Fingerabdrücke finden werden. Es ist alles zerstört worden«, fügte der Arzt trocken hinzu.
»Wann bekomme ich den vorläufigen Befund?«
»Ich rufe Sie heute Nachmittag an und gebe Ihnen, was ich habe.«
»Danke.«
»Jetzt sollten Sie mal einen Blick da reinwerfen, Commissario. Ist ziemlich interessant«, regte Franceschini im Davongehen an.
Ferrara ging zurück in die Kapelle und sah sich in der Horrorkulisse um. Als sein Blick auf die rußgeschwärzte rechte Wand fiel, zuckte er zusammen und trat vorsichtig näher heran. Gerade noch lesbar stand dort eine Zahl: 666 . Darüber war ein fünfzackiger Stern zu sehen, von dem zwei Zacken nach oben zeigten. Und eine Art Zeichnung, die nicht mehr zu erkennen war. Er bat einen der Techniker, die Wand zu fotografieren, sobald sie einigermaßen gereinigt worden war, auch im Detail und aus nächster Nähe. Dann ging er weiter und trat hinter den Altar, wo er ein umgedrehtes Kruzifix aus Eisen bemerkte.
Kurz darauf kam der Einsatzleiter der Feuerwehr zu ihm, ein dicker Mann mit einer großen Nase, Ruß im Gesicht und zugekniffenen Augen. Er sah müde aus und hatte einen Dreitagebart. Den Helm hatte er abgenommen und wischte sich nun mit einem Taschentuch über die Stirn und den kahlen Kopf.
»Ich höre«, sagte Ferrara.
»Es war ohne Zweifel Brandstiftung, das Feuer wurde an mehreren Stellen gelegt. Die Kapelle ist schon baulich abgesichert worden.«
»Vielen Dank. Schicken Sie mir noch Ihren Bericht, ja?« Beim Verabschieden bemerkte er eine alte Verbrennung an der Hand des Feuerwehrmannes.
Als er allein war, näherte er sich der Leiche.
Das Gesicht war vollständig verkohlt, die Züge ausgelöscht. Der Kopf, ganz schwarz, erschien sehr klein und entzog sich jeder Vorstellung, wie er im Leben ausgesehen haben mochte. Nur die Zähne schimmerten fast blendend weiß im Vergleich zu dem verbrannten Leib. Dieses menschliche Wesen hatte nichts Menschliches mehr an sich.
Er stand lange stocksteif da und stellte sich die Frau inmitten der Flammen vor, wie sie um Erbarmen flehte. Auch nach vielen Jahren würde er noch genau die Stelle benennen können, an der diese karbonisierten Überreste lagen. Er würde die Szene in allen Einzelheiten rekonstruieren können und sogar den Geruch wieder wahrnehmen, der die kleine Kirche in dieser Nacht erfüllte.
Dann ging er hinaus.
Der Morgen dämmerte bereits.
Teresa Micalizi kam ihm
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