Schwarze Rosen
Melonen auf, eine unverzichtbare Ergänzung des Reitdresses, und verließen schweigend den Raum.
Draußen im Schlosshof ließ die Sonne die roten Jacken leuchten.
Die Hunde, durchweg Beagles, waren schon in heller Aufregung. Auch der Jagdhelfer, der den »Schwanz«, einen mit Fuchsurin getränkten Fellbalg, über die Strecke ziehen würde, war bereit.
Der alte, blutige Brauch konnte beginnen. Die Hunde würden, sobald sie die Beute gesichtet hatten, die Verfolgungaufnehmen, sie hetzen und töten. Überall und immer wieder, solange dieser Sport nicht verboten war, der von vielen Parlamentariern und Tierschützern als grausam angesehen wurde, nicht aber vom House of Lords und anderen Verfechtern der Jagd. Sir George Holley war optimistisch: Die Königin stand auf ihrer Seite und würde letztendlich den Ausschlag geben.
57
Die steil abfallende Serpentinenstraße bis zu den ersten Häusern von Sesto Fiorentino war in keinem guten Zustand. Doch der Commissario war mit den Gedanken woanders und merkte es nicht einmal.
Die Schrecken der letzten Tage beschäftigten ihn. Die durch den Schnitt entstellte Tote. Giovanna Innocenti in ihrem Bett gekreuzigt. Die schwarze Rose. Und jetzt diese noch nicht identifizierte Frauenleiche. Der Gestank von verbranntem Fleisch klebte Ferrara noch in den Nasenlöchern, und er sah die Embleme des Teufels vor sich, der großen Bestie der Apokalypse – das auf dem Kopf stehende Kreuz und das Pentagramm mit den beiden nach oben zeigenden Zacken.
Die Rosen … die Kapuzenträger … wir kommen immer näher.
Sollte das ein Zufall sein?
Niemals.
Ferrara beschloss, dass der Zeitpunkt gekommen war, sich mit Venturis Freundin, der Okkultismus-Expertin, zu treffen.
So bald wie möglich.
Im Präsidium wartete man schon auf ihn.
Maresciallo Gori saß im Warteraum und unterhielt sich mit Riccardo Venturi. Als Ferrara hereinkam, stand Gori auf. »Commissario, guten Tag!«
»Bitte hier herein, Maresciallo«, sagte Ferrara und hielt ihm die Tür zu seinem Büro auf. »Einen kleinen Moment noch, ich bin gleich bei Ihnen.« Er ging ins Sekretariat; Venturi folgte ihm. Hier konnten sie unbelauscht sprechen.
»Venturi, ich möchte deine Freundin treffen, am liebsten noch heute Vormittag oder jedenfalls im Laufe des Tages.«
»Soll ich sie hierher bestellen, Capo?«
»Wenn es ihr recht ist, sonst kannst du mich auch zu ihr nach Hause bringen oder irgendwohin, wo es ihr am besten passt. Überlass ihr die Wahl.«
»Sehr schön. Ich sage ihr gleich Bescheid.«
»Danke dir.« Dann ging er in sein Büro.
»Scheußliches Verbrechen«, begann der Maresciallo, der eine Aktenmappe auf dem Schoß hielt.
Ferrara nickte düster. »Wir müssen all unsere Kräfte bündeln.«
»Aus diesem Grund bin ich hier, und auch auf Anordnung des Staatsanwaltes und meines Colonnello.«
»Ich danke Ihnen.«
Als sie ihre Informationen austauschten, kam dem Commissario eine Einzelheit bekannt vor: die Verpackung der Einwegkamera, die zwischen Giovanna Innocentis Bett und Nachttisch gefunden worden war. »Seltsam«, bemerkte er.
Gori sah ihn aufmerksam an. »Warum?«
»Eine der Putzfrauen von den Cappelle del Commiato erinnert sich, eine ähnliche Verpackung aufgehoben zu haben, an dem Morgen, als die Leichenschändung entdeckt wurde«, erklärte Ferrara.
»Haben Sie die Verpackung sichergestellt?«
»Das war nicht mehr möglich. Der Container, in den die Putzfrau sie geworfen hatte, war bereits geleert worden.«
»Schade. Welche Marke?«
»Darauf hat die Zeugin leider nicht geachtet.«
Gori wirkte nachdenklich. Hm, dieses Detail haben wir vielleicht unterschätzt, dachte er.
Die Situation in Florenz spitzte sich mit jeder Stunde zu. Ferrara und Edoardo Gori kamen überein, ständig in Kontakt zu bleiben und sich wenigstens einmal pro Tag im Präsidium oder in der Carabinieri-Station in der Via Borgognissanti zu treffen.
Bevor Gori ging, legte er noch die kopierten Unterlagen zu der Morduntersuchung auf Ferraras Tisch und kündigte an, dass er später noch einmal die Freundin des Opfers, Signora Genovese, vernehmen werde.
Möglicherweise eine entscheidende Begegnung.
Zumindest in Goris Vorstellung.
58
Um diese Zeit war außer ihr noch niemand da.
Kniend arrangierte sie einen Strauß Tuberosen in einer Vase, Giovannas Lieblingsblumen. Dann faltete sie die Hände und begann zu beten.
Sara Genovese hatte wieder eine schlaflose Nacht verbracht und war irgendwann aufgestanden und in ihr Arbeitszimmer
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