Schwarze Rosen
Macht der Anhänger zu stärken und sie zu einer Art Übermenschen zu machen.
»Wie absurd«, bemerkte Ferrara.
In dem Moment hörte man ein Scheppern aus der Küche.
»Nichts passiert, Mama, mir ist nur ein Topf heruntergefallen.«
»Das ist meine Tochter. Sie kocht gerade«, erklärte Signora De Luca. »An solches Gepolter habe ich mich inzwischen gewöhnt, leider. Die Arme hat Rheuma in den Händen.«
Ferrara nickte verständnisvoll. »Jetzt würde ich gern noch wissen, Signora, ob Ihnen vielleicht irgendetwas unstimmig vorkommt an den Umständen, die ich Ihnen beschrieben habe.«
»Allerdings, Commissario, eine Sache ist seltsam.«
»Nämlich?«
»Normalerweise machen Satanistensekten nicht auf eine solch plakative Weise auf sich aufmerksam. Sie legen großen Wert auf die Geheimhaltung ihrer Treffen und Rituale, damit sie auf einen ausgewählten Kreis von Teilnehmern beschränkt bleiben.«
»Was gibt es denn nun für Gruppen in Florenz?«
»Es gibt diverse.« Sie zählte Anhänger von Crowley auf, Anhänger von Kremmerz und solche, die sich besonders dem Lilith- oder dem Isis-Kult verschrieben hatten.
»Lilith war nach dem Talmud Adams erste Frau, mit der er Dämonen zeugte. An sie wendet man sich, wenn man magische Kräfte gewinnen will. Das klingt harmloser, als es ist. Es geht dabei um ziemlich schauderhafte und gefährliche Handlungen, Commissario. Bedenken Sie auch, dass eine Untersuchung der verschiedenen Ideologien und Praktiken von außen keinesfalls leicht ist, denn viele Schriften werden immer noch sorgfältig versteckt gehalten. Offenbar gibt es dabei Dinge, die nicht bekannt werden dürfen. Ich werde versuchen, mich noch etwas deutlicher auszudrücken.«
Die Kremmerzianer, erläuterte sie, hatten ihren Namen von Giuliano Kremmerz, geboren als Ciro Formisano, einem neapolitanischen Alchimisten. Innerhalb ihrer Gruppierung gab es verschiedene Zirkel oder Ebenen. Die Führungsebene nannte sich »Orden des Mantos« und bestand aus wenigen, gesellschaftlich hochgestellten Personen mit großen finanziellen Möglichkeiten.
Die Crowleyaner dagegen bezogen sich auf weithin bekannte Schriften und Riten, die sozusagen Teil des traditionellen Satanismus waren.
Interessiert fragte Ferrara: »Was für Riten praktizieren sie denn?«
»Es gibt zum Beispiel solche, die das Schlucken des eigenen Spermas vorsehen, aber auch die Verwendung von Blut oder des letzten Lebensodems, der bei einem gewaltsamen Tod ausgehaucht wird. Auch Körperteile, die den Opfern abgetrennt wurden, werden verwendet, dazu ihr Blut und ihre Sexualorgane, um sogenannte ›Siegel‹ daraus zu machen. Unter ›Siegeln‹ versteht man in diesem Zusammenhang Darstellungen oder Objekte, auf die man sich konzentriert, um Macht zu empfangen.«
»Sie halten es also demnach für wahrscheinlich, dass in dieser Kapelle eine Satanistensekte zu Gange war?«
»Ja, ich denke schon, auch wenn die übliche Geheimhaltung außer Acht gelassen wurde.«
»Und was die anderen Fälle angeht? Der Schnitt in der Stirn der Toten, der Mord an der Innocenti-Tochter – was denken Sie darüber?«
»Das einzig Verbindende, was mir dabei auffällt, ist das zeitliche Element …«
»Sie meinen …?«
»Die Nacht vor dem vierundzwanzigsten Juni ist die dritte Nacht des Hexensabbats, ein wichtiges Datum für Teufelsanbeter, die ihre Rituale oft über mehrere Nächte hinweg zelebrieren.«
Nach dieser Information stand die Frau auf, und die beiden Polizisten erhoben sich ebenfalls.
»Haben Sie vielen Dank, Signora De Luca.«
»Es war mir ein Vergnügen, Dottore. Hoffentlich konnte ich Ihnen ein wenig behilflich sein! Ich stehe immer zu Ihrer Verfügung.«
»Oma, Oma, komm essen!«, rief es aus der Küche.
»Ich komme schon, Kinder.« Silvia De Luca brachte ihren Besuch noch zur Tür.
»Eine sehr nette Dame«, sagte Ferrara draußen zu Venturi. »Schade, dass es nur so wenige hilfsbereite Menschen wie sie gibt!«
»Ja, meine Freundin ist schon eine außergewöhnliche Frau.«
»Deine Mitarbeiterin …«
Ferrara lächelte. Diese Freundschaft war etwas Besonderes.
Dritter Teil
Die Teufelsanbeter
6 3
Seine Absichten waren alles andere als gut.
Er stand bei dem Zeitungskiosk auf der Piazza und blickte hin und wieder zum Eingang des schmalen Wohnhauses hinüber. Zuvor war er den beiden Polizisten in seinem Jeep, den er unauffällig in einer Seitenstraße geparkt hatte, bis hierher gefolgt. Als er die Beamten wieder herauskommen sah, blickte er auf seine
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