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Schwarze Schafe in Venedig

Schwarze Schafe in Venedig

Titel: Schwarze Schafe in Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Ewan
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Sonnenbrille auf der Nase zurück, haute Alfred aufmunternd auf die Schulter und drückte dann noch mal fest zu. Dann setzte er ebenfalls alles. Die elegante Dame lächelte matt und gab Graziella mit einem Winken zu verstehen, dass sie für diese Runde bedient war. Unser Mann mit dem Gewichtsproblem nahm den Einsatz mit einem anerkennenden Nicken zur Kenntnis und schob dann beiläufig etwa ein Viertel seiner Jetons in den Kreis. Er schniefte, wischte sich die Nase mit dem Smokingärmel ab und fuhr sich mit der Hand durch die langen, fettigen Strähnen.
    Ich hörte es rauschen und schnippen, als ein neuer Kartenstapel gemischt wurde. Unmöglich zu erkennen, was Alfred auf der Hand hatte, und noch schwieriger, in seinem Gesicht irgendeine Regung abzulesen. Bei dem asiatischen Jungen war das schon einfacher. Er schlug sich mit der freien Hand vor die Stirn und verlangte gestikulierend eine weitere Karte. Mit der überbot er gnadenlos. Hilflos hob er die Hände und grinste niedergeschlagen, während er sich auf seinem Platz umdrehte und den mitfühlenden Applaus der Zuschauer entgegennahm.
    Als Nächster war Alfred dran. Er verlangte eine weitere Karte. Dann noch eine. Dann entschied er sich zu halten. Das Publikum schien unsicher, was es davon halten sollte. Alfred ebenso.
    Der bärtige Brocken war zufrieden mit dem, was er auf der Hand hatte. Er winkte Graziella mit einem trägen Fingerwackeln, ihr Blatt zu zeigen, fast, als sei er sich so sicher zu gewinnen, dass die Aussicht, das Spiel noch zu Ende bringen zu müssen, beinahe als eine unzumutbar ermüdende Pflichtübung erschien.
    Schwer zu sagen, ob Graziella überhaupt irgendwelche Emotionen hatte. Nach außen hin ließ sie sich jedenfalls nichts anmerken. Sie legte einfach ihre Karten offen auf den Tisch und griff dann in den Schlitten. Eine Karte. Noch eine. Und noch eine.
    Das Publikum hielt den Atem an, dann stöhnte es auf, als sei das Unmögliche gerade Wirklichkeit geworden.
    Und aus Alfreds Sicht der Dinge war genau das geschehen. Mit geschürzten Lippen musste er tatenlos mit ansehen, wie Graziella sich nach vorne beugte und mit ihren schlanken Armen seine Chips einsammelte. Er tippte mit dem Finger auf das Filz und zog leicht erstaunt eine Augenbraue hoch, dann stand er mit den Händen auf den Tisch gestützt auf und reichte jedem seiner Mitspieler reihum die Hand. Hotzenplotz schüttelte er als Letztem die Pranke, und seine Hand schien von der Bärentatze des Riesen beinahe verschluckt zu werden. Für den Bruchteil einer Sekunde sahen sie sich in die Augen; lange genug, damit Alfred etwas Gift verspritzen und der dicke Mann es mit dummem Kuhblick und schläfrigem Grinsen aufnehmen konnte, und dann verließ Alfred steif staksend den Saal.
    Auf der breiten Treppe, die von der Roulettelounge nach unten führte, holten wir ihn ein.
    »Dad?«
    Er drehte sich um, als er Victorias Stimme hörte, und schaute uns an, als könne er kein Wässerchen trüben.
    »Ach da bist du ja, Schätzchen.« Er streckte die Hände nach ihr aus. »Ich hatte mich schon gefragt, ob du nicht vorbeikommen und deinem alten Dad Hallo sagen willst.«
    »Du hast gewusst, dass ich hier bin?«
    »Du weißt doch, dass ich alles mitbekomme, Schätzchen. Das ist mein Beruf.« Grinsend schaute er mich an, und unter dem schneeweißen Bart blitzten leicht vergilbte dritte Zähne auf. »Charlie Howard, nehme ich an.«
    »Ja, Sir.« Ich ging ein paar Stufen auf ihn zu und streckte ihm die Hand hin. »Mein Beileid zum Spiel.«
    »Tja, na ja. Macht nichts.« Seine Handfläche war trocken und runzelig wie zerknülltes Seidenpapier, aber er hatte einen erstaunlich festen Händedruck. »Scheint, als sollte es wohl heute einfach nicht sein.«
    »Sie meinen, die haben das Spiel getürkt. Das attraktive Fräulein Croupier und ihr pummeliger Verehrer.«
    »Herrje.« Er zog sich die Manschetten gerade und tätschelte mir dann den Arm. »Wie ich sehe, hat meine wunderschöne Tochter Ihnen einiges beigebracht.«
    Womit er Victoria einen Blick zuwarf. Die stand unschlüssig ein paar Stufen weiter oben auf der Treppe und hielt Abstand. Die Schmeicheleien ihres Vaters trugen augenscheinlich nicht dazu bei, ihre Laune zu heben. Ihr Gesicht wirkte versteinert, und ihre Knöchel waren schneeweiß geworden, so fest klammerte sie sich an das Messinggeländer. Ihre elegante grüne Robe passte so gar nicht zu ihrer gereizten Stimmung.
    »Dad, warum hast du mir nicht gesagt, dass du nach Venedig kommst?«, fragte sie,

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