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Schwarze Schafe in Venedig

Schwarze Schafe in Venedig

Titel: Schwarze Schafe in Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Ewan
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bleibt das auch erst mal so.«
    »Tja, ich würde ihr liebend gern den Hintern versohlen.«
    Ich packte Victorias Handgelenk noch fester. »Das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Und auch nicht der richtige Ort.«
    »Und warum nicht?«, fragte sie pikiert und kräuselte die Lippen. »Sag nicht, du hast Angst vor ihr. Charlie, vor der braucht man doch keine Angst zu haben.«
    »Vielleicht nicht. Aber was ist mit ihren Hintermännern?«
    »Hä?«
    »Die Bombe, Vic. Irgendjemand hat ihr die gegeben.«
    Kaum hatte ich den Satz ausgesprochen, als leiser Applaus wie eine kleine Welle durch den Saal schwappte. Am Turniertisch tat sich etwas. Unser gewaltiger Freund hatte gerade einen ebenso gewaltigen Gewinn eingestrichen. Sein Rieseneinsatz hatte sich ausgezahlt, und er war um mehrere Längen in Führung gegangen. Was er natürlich auch wusste. Zufrieden strich er sich mit einem Blick wie eine satte Katze über den zotteligen Bart und nickte angesichts seines Spielglücks wie ein Zigeuner, der grinsend zur Kenntnis nimmt, dass das Schicksal sich zu seinen Gunsten wendet. Zuschauer schlugen ihm anerkennend auf den breiten Rücken, wo der Stoff seiner Jacke fadenscheinig und dünn über den Schultern spannte.
    »Dein Dad wirkt ein wenig angesäuert«, stellte ich fest.
    »Er ist fuchsteufelswild.«
    »Tja, er musste ja auch gerade die Führung abgeben.« Ich warf einen Blick auf die offizielle Turnieruhr hinter uns. »Nur noch zehn Minuten.«
    »Nein, es ist nicht nur das.« Victoria schüttelte den Kopf. »Siehst du, wie er sie anschaut?«
    Sie war in diesem Fall Graziella. Und Vic hatte Recht. Alfred war eindeutig außer sich vor Wut. Er malmte mit dem Kiefer, als käue er einen Haufen unanständiger Gedanken wider, und dabei fielen ihm fast die Augen aus dem faltigen Gesicht.
    Der übergewichtige Schnüffler dagegen suhlte sich in ungetrübter Fröhlichkeit. Bequem auf den Stuhl zurückgelehnt faltete er die Stummelfinger über dem aufgedunsenen Bauch und strahlte Graziella verzückt an, als diese eine ganze Jetonkaskade über den Filz zu seinem Platz schob. Er erinnerte mich an einen Vielfraß, der gerade zwei Riesendesserts verputzt hatte und nun noch ein drittes aufs Haus angeboten bekam. Er wirkte vollkommen entspannt, als liefe für ihn alles wie am Schnürchen.
    »Meinst du, das war reines Glück?«, fragte ich Victoria.
    »So, wie Dad gerade schäumt, würde ich sagen, nein.« Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, um besser sehen zu können. »Mit einer schlechten Karte kommt er klar. Aber die Lage scheint wesentlich ernster zu sein.
    »Denkst du, was ich denke?«
    »Vermutlich bin ich dir dicht auf den Fersen. Aber bitte, klär mich gerne auf.«
    Was ich dann auch tat. Ich erklärte ihr, dass die Wahrscheinlichkeit hoch sei, Graziella und der neue Führende könnten unter einer Decke stecken. Denn mir war längst der Gedanke gekommen, wenn Graziella auch nur über ein wenig Talent und ausreichend Motivation verfügte (einen Anteil an der halben Million vielleicht), dann könnte sie das Spiel ganz nach Gutdünken drehen. Kartenzählen war schön und gut, und ich konnte verstehen, warum Victorias Dad auf diese Methode setzte, aber sie war vollkommen nutzlos, wenn sie die Gewinnchancen manipulierte. Viel brauchte es dazu nicht, bloß die eine oder andere miese Karte, die sie Alfred zuschob, oder eine gute Karte für ihren schmuddeligen Partner, und schon wäre die ganze schöne Zählerei für die Katz. Leicht wäre das nicht, zugegeben, aber immerhin möglich. Wie begabt sie als Einbrecherin war, hatte ich ja schon hautnah miterleben dürfen. Wer wusste schon, welche verborgenen Talente noch in ihr schlummerten?
    Und das war noch nicht alles. Schließlich wollte sie Borelli tot sehen. Und auch ihr Motiv schien nun glasklar: Bestimmt hatte sie den Grafen vom Spieltisch fernhalten wollen. War das bloß eine perfide Methode, das Turnier zu manipulieren, oder steckte etwas noch Sinistereres dahinter? Ich wusste es nicht, und Victoria genauso wenig. Aber ausnahmsweise erhob sie keinen Widerspruch gegen das von mir entworfene Szenario.
    »Ich glaube, Dad platzt gleich der Kragen«, brummte sie.
    Irgendwas würde ihm zweifellos bald platzen. Wir sahen zu, wie er die Chips in den Kreis auf dem Filz vor ihm schob. Ein Raunen ging durch die Menge. Schnell wurde daraus ein Murmeln. Alle wussten, dies war womöglich ein entscheidender Moment; allen voran seine Konkurrenten. Der asiatische Jungspund schob die

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