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Schwarze Schafe in Venedig

Schwarze Schafe in Venedig

Titel: Schwarze Schafe in Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Ewan
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Dunstiger Regen umhüllte das gelbe Licht der Straßenlaternen und legte sich auf mein Gesicht, und das nebelverschleierte Wasser unterhalb der geduckten Brücken, über die ich lief, glitzerte nur noch schwach. In den Schatten huschten Nagetiere um die Abfalltüten aus Plastik, die für die Müllabfuhr draußen standen, immer auf der Hut vor den Katzen, die wachsam die Straßen patrouillierten.
    Ich wusste genau, wie denen zumute war.
    Denken half. Beim Denken konnte ich mir einreden, ich hätte die Lage unter Kontrolle. Rauchen half auch. Ich zündete mir also eine Zigarette an und ging noch mal alles durch, was Alfred mir erzählt hatte, wobei ich mich fragte, wie viel davon wohl stimmen mochte.
    Ob die Bombe wirklich für die weitere Verwendung durch Borelli bestimmt gewesen war und ihn gar nicht in der Luft zerreißen sollte? Zunächst hielt ich diesen Gedanken für völlig abwegig, aber inzwischen war ich mir da nicht mehr so sicher. Zum einen hatte mir die Monte-Carlo-Geschichte zu denken gegeben, aber mein plötzlicher Sinneswandel hatte eher mit dem Grafen selbst zu tun. Rückblickend hatte er sich wirklich nicht wie ein verängstigtes Anschlagsopfer verhalten, das um sein Leben bangte. Nach der Bombenexplosion war er im Palazzo geblieben, und gleich am nächsten Abend hatte er sich wieder ins Getümmel stürzen und ins Casino gehen wollen. Was man wohl kaum tun würde, wenn man sich vor frei laufenden Meuchelmördern fürchtete.
    Und außerdem war es erstaunlich einfach gewesen, ihn zu entführen. Obwohl ich ein blutiger Anfänger war, hatte ich es auf Anhieb geschafft. Und mehr noch, Graziella hatte mir gesagt, er habe den von der Polizei angebotenen Personenschutz rundweg abgelehnt. Lag das vielleicht daran, dass er unangenehme Fragen seitens der Ermittlungsbehörden vermeiden wollte?
    Ich konnte es zwar nicht mit Bestimmtheit sagen, hielt es aber durchaus für möglich. Es würde jedenfalls seine arrogante Art nach der Entführung erklären. Für uns hatte er nichts als Verachtung übriggehabt und hatte über unser lückenhaftes Verständnis der Situation gespottet, und nun wusste ich auch, warum.
    Dann fiel mir noch was ein. Borelli hatte uns beschuldigt, für irgendwen zu arbeiten. Und zu dieser Annahme hatte ihn allein unser englischer Akzent verleitet. Was hatte er noch mal genau gesagt? Irgendwas in der Art, der Mann sei ein gerissener Gegner, und ich klänge genau wie er.
    Ob er damit womöglich Alfred gemeint hatte? Wenn er Victorias Vater auf dem Kieker hatte, wenn er ihn im Laufe des Turniers als potentielle Bedrohung empfunden und ihn deshalb hatte überwachen lassen, dann hätte es für ihn sicher aufgrund der Tatsache, dass wir beide Engländer waren, auf der Hand liegen müssen, dass eine Verbindung zwischen uns bestand. Vor allem, wenn er ein bisschen recherchiert und etwas über Alfred in Erfahrung gebracht hatte – seine speziellen Kenntnisse Casinos betreffend und die hohe Wahrscheinlichkeit, dass er es bis an den Finaltisch schaffen würde. Schließlich war es für Alfred auch ein Leichtes gewesen, über seine Kontaktpersonen im Spielermilieu alles über Borelli herauszufinden, wieso also sollte der Graf es anders machen? Und wenn er erst einmal von Alfreds zwielichtiger Vergangenheit wusste, wäre es kein allzu großer Gedankensprung zu der Vermutung, Alfred könne so tief sinken, ihn entführen zu lassen, damit er den Gewinn nicht einstreichen konnte.
    Wobei, sollte auch nur die Hälfte dieser haarsträubenden Theorien stimmen und Borelli hätte wirklich vorgehabt, die Bombe einzusetzen, dann wäre das noch immer keine Erklärung dafür, dass Graziella noch einmal in meine Wohnung eingedrungen war und mir aufgetragen hatte, den Ärmsten zu ermorden. Und irgendwie beschlich mich das Gefühl, eine Antwort auf dieses Rätsel zu finden könnte eine kniffelige Angelegenheit werden. Aber wie hieß es so schön: Nichts ist unmöglich, oder? Ich konnte ja zumindest versuchen, die Nuss zu knacken. Zugegeben, es war eine harte Nuss, aber trotzdem. Und außerdem, sollte es mir nicht gelingen, den Geschehnissen auf den Grund zu gehen, dann hoffte ich wenigstens auf den Trostpreis. Mein Malteser Falke musste immer noch irgendwo sein, und wenn es so etwas wie Gerechtigkeit gab auf der Welt (oder zumindest in Venedig), dann hielt ich meine Hoffnung, das Buch vielleicht in Graziellas Wohnung zu finden, für nicht allzu vermessen.
    Meine Zigarette neigte sich dem Ende zu, genauso wie mein

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